Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines
Händlerpaar zum Schweigen zu bringen? Sie hatten den Drachen entdeckt, und er wollte vorgeben, ihn selbst gefunden zu haben, damit sein Volk glaubt, er stünde doch noch in der Gunst Myrials.«
Veldan runzelte die Stirn. »Das hat er sicher nicht getan. Aber selbst, wenn das wahr sein sollte, bleibt noch genug für dich übrig.«
»Ich nehme an, dass Toulac dir die Wahrheit erzählt hat.« Er verzog ein wenig die Lippen. »Nach dem, was Cergorn mir angetan hatte, musste ich mir Macht und Anhänger verschaffen, um eines Tages zurückkehren und mich rächen zu können. Um diese Macht zu gewinnen, musste ich mir eine gewisse Rücksichtslosigkeit aneignen.« Sein Blick wanderte in die Ferne. »Unglücklicherweise ist sie mir zur zweiten Natur geworden. Rücksichtslosigkeit wirkt wie ein heimtückisches Gift. Wenn man erst einmal gemerkt hat, wie einfach und schnell man seine Wünsche dadurch befriedigen kann, gebraucht man es immer häufiger, und es fällt im Laufe der Zeit immer leichter, sein Gewissen zu beschwichtigen.«
»Ich wette, das ist ein echter Trost für die Leute, die dir in diesen Jahren in die Quere gekommen sind«, erwiderte Veldan beißend. »So wie Kaz und ich jetzt. Als ich die Höhle des Gaeorn verlassen habe, dachte ich nicht, dass du mich ohne irgendeinen Ärger ziehen lassen würdest.«
»Als du die Höhle verlassen hast, dachtest du überhaupt nicht. Du hast nach Gefühl gehandelt«, sagte Amaurn. »Aber du irrst, wenn du glaubst, dass ich dir gefolgt bin, um dir etwas anzutun.« Er streckte die Arme nach beiden Seiten aus. »Siehst du irgendeine Waffe?«
»Was ist mit verborgenen Messern?«
Er brüllte vor Lachen. »Wie – mit vergifteter Klinge? Veldan, du hast zu viele Schauerromane gelesen. Überlege mal. Dein Freund Kaz würde mich pulverisieren, bevor ich überhaupt ein Messer ziehen könnte. Tatsächlich könnte er mich jederzeit töten.«
Aus Kaz’ Kehle drang ein Rumpeln. »Das ist der beste Einfall, den du bisher hattest.«
Amaurn schüttelte den Kopf. »Nein. Der beste Einfall, den ich bisher hatte, lautet, dir deine Freundin Toulac zurückzuholen. Weil ich der Einzige bin, der das kann.«
So misstrauisch Veldan auch war, sie konnte die Hoffnung nicht unterdrücken, die bei seinen Worten in ihr aufstieg. Aber wie sollte sie diesem Mann vertrauen können? War es nicht gerade Toulac gewesen, die sie vor seinen Listen gewarnt hatte? »Was soll das heißen: der Einzige?«, fragte sie schnell.
Er zuckte die Achseln. »Hast du einen Moment lang geglaubt, Cergorn würde deshalb handeln? Warum sollte er? Sein Grundsatz heißt Untätigkeit. Außerdem hast du ihn nicht überzeugen können, dass Toulac in den Schattenbund aufgenommen werden sollte oder gar dass Zavahl den Geist des Drachensehers in sich trägt. Wenn er glaubt, dass die beiden Entführten so unwichtig sind, warum sollte er dann einen Finger rühren?«
»Woher weißt du das alles?«, fragte Veldan.
Er machte eine ungeduldige Handbewegung. »Maskulu hat es mir natürlich berichtet. Entscheidend ist, ob ich Recht habe. Denke gut nach, bevor du antwortest. Toulacs Leben könnte davon abhängen.«
»Da hat er zweifellos Recht«, sagte Kaz zu Veldan auf ihren abgeschirmten Bahnen. »Wenn wir Toulac und Zavahl wiederhaben wollen, wäre Pferdearsch mehr ein Hindernis als eine Hilfe.«
»Ich weiß«, gab Veldan stirnrunzelnd zu. »Aber er tut dies nicht aus Gutherzigkeit.« Sie wandte sich wieder Amaurn zu. »Warum tust du das? Welcher große Plan verbirgt sich dahinter?«
»Das habe ich dir schon gesagt. Ich habe all die Jahre darauf gewartet, mich an Cergorn rächen zu können und den Schattenbund in eine neue Richtung zu lenken. Die Zeit ist gekommen.«
Veldan schüttelte den Kopf. »Was du anzudeuten scheinst hätte unübersehbare Auswirkungen. Wir verfügen hier über Wissen, das sowohl großes Unheil als auch viel Gutes bewirken kann. Diese Unwägbarkeit ist es, die Cergorn fürchtet.«
Er winkte ungeduldig ab. »Ich sage nicht, dass wir aufs Geratewohl Wissen freigeben sollen. So viel Klugheit haben mich die letzten zwanzig Jahre wohl gelehrt. Wir werden aus den erfahrensten Wissenshütern einen Rat bilden, der die Auswirkungen erörtert, und jeden Fall nach den wesentlichen Erkenntnisse entscheiden. Aber das gilt für später. Die wirkliche Krise ist der Zerfall der Schleierwand. Der Schattenbund braucht einen Anführer, der sich nicht furchtet, die verfügbaren Kenntnisse einzusetzen und schnell zu handeln. Erst
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