Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines
wenn unsere Welt nicht mehr gefährdet ist, können wir uns erlauben, die anderen Angelegenheiten zu erörtern.«
»Und du bist wirklich überzeugt, dass du das kannst?«, fragte Veldan ungläubig.
»Dessen bin ich mir sicher. Der Schlüssel liegt im Wissen des Drachen verborgen, und wir müssen ihn aus dem Berg von Kenntnissen ausgraben, den er mit sich herumträgt. Darum müssen wir Zavahl zurückholen. Wir können uns gar nicht leisten, es nicht zu tun. Ich will ganz ehrlich mit dir sein: Eigentlich ist er es, auf den es mir ankommt, aber gleichzeitig werden wir deine Freundin Toulac holen, das verspreche ich.« Er machte einen Schritt auf sie zu. »Es ist Zeit, sich zu entscheiden, Veldan. Kommst du mit mir?«
Veldan sah Kaz an. »Ich weiß schon, was du sagen willst«, meinte er zu ihr. »Ich bin einverstanden. Ich kann nicht behaupten, dass ich ihm traue, aber er ist jetzt eine bessere Wahl als Pferdearsch.«
Sie nickte knapp und sagte zu Amaurn: »Also gut. Wir sind dabei.«
Er stieß einen langen Seufzer aus, über den Veldan sich einen Augenblick wunderte. »Gut, dann lasst uns gehen«, sagte er. »Maskulu gräbt schon den Tunnel, sodass wir unbemerkt unter dem Quartier der Alva herauskommen. Sie befehligt die Diekan-Sklaven, die Zavahl und Toulac bei sich haben. Entweder sie schickt sie zu uns zurück … oder wir holen sie uns selbst.«
Es war nicht gerade ein stolzer Einzug in das Land der Rotten. Sie alle waren durchnässt, durchgefroren und mit Schlamm bespritzt. Die ganze Nacht hindurch hatte Tormon sie angetrieben und ihnen kaum eine Pause gegönnt, und nun fühlten sie sich am Ende ihrer Kraft. Sie waren reizbar, hatten schmerzende Glieder, waren ausgehungert wie die Wölfe im Winter und außerdem fußkrank, weil er sie die halbe Nacht hatte laufen lassen, um die erschöpften Pferde zu schonen.
Bis sie das Tal erreichten, das Arcans Stammesgebiet war, befanden sich Tormons Gefährten mit Ausnahme von Scall fast im Zustand der Auflehnung. Tormon hatte endlich aufgehört, sie ständig anzutreiben, und ließ sie kurz rasten, damit sie ein wenig vorzeigbarer wären, wenn sie dem Sippenhäuptling gegenübertraten. Zu spät erkannte er, dass er damit einen Fehler begangen hatte. Es wäre klüger gewesen, sie nicht absitzen zu lassen.
Scall nickte im Stehen ein, während er die Hufe der braunen Stute auf Steinchen untersuchte. Seriema schwankte wie eine Betrunkene, hielt sich am Hals des Wallachs fest, um nicht umzukippen. »Nicht hinsetzen, nicht hinsetzen«, murmelte sie in einem fort.
Presvel und Rochalla plagten keine solchen Bedenken. Sie gehorchten ihren Knien, sanken in das nasse Farnkraut, wo sie im Nu starre Glieder bekamen, sodass ihnen das Aufstehen nachher äußerst schwer fallen würde. Tormon blickte kopfschüttelnd zum Himmel auf. Stadtvolk! Nicht mal den Verstand einer Feldmaus! (Ausgenommen Dame Seriema, verbesserte er sich hastig, die scheinbar einen vernünftigen Kopf auf ihren Schultern trug.) Presvel hatte doch tatsächlich die Zügel auf den Boden fallen lassen. Ein Glück, dass das Tier zu erschöpft war, um wegzulaufen.
Annas war von allen am besten dran, denn sie hatte die Nacht über im Arm ihres Vaters sitzend geschlafen. Nun war sie hellwach und beklagte sich etwa seit einer Stunde darüber, sie sei hungrig. Tormon übergab das Kind Seriema. »Sei so gut und passe einen Augenblick auf sie auf, solange ich diesen Dummköpfen die Ohren lang ziehe.« Er bemerkte anerkennend, dass sie den Arm durch die Schlinge des Zügels schob, bevor sie das Kind nahm, und dankte der Vorsehung, dass jemand in der Gruppe Verstand bewies. Von seiner kostbaren Last befreit, streckte er die schmerzenden Arme und rieb sie heftig, um das Blut anzuregen. Sie fühlten sich an wie morsches Holz – sofern Holz Schmerzen haben konnte.
Lieber Myrial, ich werde schon so blöde wie die anderen. Mein Verstand fängt an abzuirren.
Der Händler tat mehrere tiefe Atemzüge, um einen klaren Kopf zu bekommen, und schlenderte zu Presvel und Rochalla hinüber. Er hob die schleifenden Zügel auf und fuhr die beiden harsch an: »He! Ihr zwei! Sofort auf die Beine!«
Presvel beachtete ihn einfach nicht, aber Rochalla brach in Tränen aus. »Ich kann nicht«, schluchzte sie. »Bitte zwing mich nicht wieder auf das Pferd. Lass mich ausruhen. Lass mich einfach eine Weile schlafen, dann wird es wieder gehen.«
In der kurzen Zeit, die er sie kannte, hatte sie ihn durch Tapferkeit und gesunden
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