Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines
Volk hat große Achtung vor ihm.
Ihr wurde bestürzt klar, dass sie in einem wirklichen Streit mit ihm nicht siegen könnte.
Vielleicht sollte ich ihm so oft er mag seine waghalsigen Abenteuer lassen. Wir müssen derweil lernen, ohne ihn auszukommen. Er ist ein guter Mann, und es wäre mir schrecklich, ihn zu verlieren, aber andererseits würde das viele meiner Probleme lösen.
Hauptmann und Diebin eilten über die verschlungenen Wege des Heiligen Bezirks und kamen schließlich aus dem schwarzen Rachen des Tunnels zwischen den Handwerkerhäuschen hervor. Galveron sträubten sich die Nackenhaare. Sicher wurden sie beobachtet. Ängstlich drehte er sich um und blickte suchend über die hohen Felswände des Chaikar, obwohl er sich der Nutzlosigkeit bewusst war. In dem weichen gelben Gestein gab es unzählige Felsvorsprünge und Nischen. Die Ungeheuer konnten sich überall verstecken.
Ein spitzer Ellbogen stieß ihm in die Rippen. Schon seit dem unerfreulichen Wortwechsel mit ihrem Bruder war Aliana gereizt. Natürlich geschah es aus Liebe, dass Alestan sie nicht gehen lassen wollte. Trotzdem hätte Galveron den Mann am liebsten erwürgt, weil er sie vor einer schwierigen Mission zusätzlich aufregte.
Noch einmal bekam er den Ellbogen zu spüren. »Komm schon, Dummkopf«, zischte sie. »Ich habe zwar gesagt, dass sie jetzt schlafen, aber das sollten wir gut ausnützen. Wir haben nicht ewig Zeit.«
Auf der westlichen Seite des Tunneleingangs befand sich die Stelle, wo die Bande heruntergeklettert war. Dort duckten sie sich in den Schatten am Fuß der Felswand. Beklommen sah Galveron zum Himmel hinauf. Sie hatten sich in der Tat den besten Tag für ihr Unternehmen ausgesucht. Die Wolken zogen hoch oben am Himmel schnell dahin, wo sie ein starker Wind vor sich hertrieb und immer neue Formen hervorbrachte. Dies war der hellste Tag seit langem, und es herrschte Tauwetter.
»Sssst!« Über sich hörte er ein ungeduldiges Zischen. Die Diebin kletterte bereits leichtfüßig den rauen Fels hinauf wie eine Spinne, stieg flink ein paar Schritt in die Höhe, hielt inne und verschmolz mit der Oberfläche, bis es Zeit für die nächste Bewegung war. Galveron sah ihr bewundernd zu. Nach einer Weile erreichte sie einen breiteren Sims und verschwand außer Sicht. Kurz darauf entrollte sich von oben ein Seil, dessen Länge ausgezeichnet geschätzt war und genau bis zum Boden reichte. Oben erschien wie ein Stern im Dunkeln Alianas weißes Gesicht in seinem kurzen braunen Lockenkranz. Ein schlanker Arm winkte, und Galveron, der den stolzen Ruf der Gottesschwerter auf dem Spiel sah, spuckte sich in die Hände und begann, an dem Seil hinaufzuklettern.
Es erschien ihm wie eine Ewigkeit, bis er sich schnaufend zu Aliana auf den nassen Sims zog. Dankbar setzte er sich und rieb sich mit brennenden Handflächen die Arme, die sich anfühlten, als wären sie ausgekugelt. Aliana betrachtete ihn grinsend, ihre Augen funkelten vor Erheiterung. Galveron fehlte der Atem für eine entsprechende Bemerkung, und er begnügte sich mit einer unanständigen Geste.
»Ganz meinerseits«, erwiderte sie und holte das Seil herauf, band es los und schlang es sich über die Schulter. »Für einen plattfüßigen Soldaten der Gottesschwerter kletterst du gar nicht schlecht«, sagte sie gönnerhaft. »Aber du solltest die Beine mehr gebrauchen. Es gibt genügend kleine Spalten, die dein Gewicht tragen können. Ruhe dich jetzt aus, solange ich den nächsten Abschnitt ersteige.«
Ehe Galveron etwas antworten konnte, hatte sie mit dem Aufstieg begonnen und suchte gefährlich nah an seinem Ohr mit einem Fuß nach Halt. Nach einem raschen Blick über den Himmel lehnte er sich zurück, gewillt, aus seiner Atempause das Beste zu machen. Keinesfalls wollte er das nächste Kletterstück keuchend und dampfend wie ein Zugpferd überwinden. Er wollte verdammt sein, wenn er der Diebesrange diese Genugtuung verschaffte!
Wie sich herausstellte, brauchte er dazu seine ganze Entschlossenheit. Viermal wiederholte sich die Prozedur, bei der Aliana vorauskletterte, um das Seil zu sichern, und Galveron sich hinter ihr hinaufzog. Es gab Augenblicke, wo ihn nur noch der Stolz in Bewegung hielt, und als er endlich die Mauerkrone erklomm, empfing ihn, wie er fand, der schönste Ausblick, den er in seinem ganzen Leben gesehen hatte.
Als er sich über die Kante zog, konnte er zunächst nichts anderes tun, als sich langzulegen und Atem zu schöpfen und zu warten, bis das Gefühl in
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