Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines
ich dir. Wenn ich das tue, dann stehen du und die elende Hierarchin für alle Zeit in meiner Schuld. Ich will den besten Platz im Tempel für mich und meine Freunde und die besten Kleider und das beste Essen und die wärmsten Decken. Und es sollte sich lieber keiner mehr herausnehmen, uns noch einmal als Gesindel zu bezeichnen!«
Galveron drückte ihre Hände. »Wenn das jemand tut«, sagte er, »dann bekommt er es mit mir zu tun.«
Die Hierarchin starrte auf das Häuflein Juwelen. Konnte es denn wahr sein? Sie wagte kaum zu hoffen. Sie drehte sich Aliana zu und fragte: »Dein Freund sagt also, dass dort oben noch viel mehr liegen? Ist er dessen ganz sicher?«
Das Mädchen grinste unverschämt. »Wenn er es sagt, verehrte Hierarchin, dann glaube ich ihm. Wenn es um Beute geht, irrt Packrat sich nie.«
Packrat! Gilarra verspürte ein Wogen in der Magengegend, wenn sie an den dreckigen, ungekämmten Kerl und seinen verschlagenen Blick dachte. Es schmeckte ihr nicht, in seiner Schuld zu stehen. Doch die Hoffnung, die sich vor ihr auftat, war so strahlend, so wunderbar, dass sie ihren Widerwillen bezwang. Nun, sie konnte sich ruhig mit diesem dreisten Mädchen abgeben. Wenn sie den Ring erst wiederhatte und eine wahrhaftige Hierarchin war, dann wäre sie auf solche Personen nicht mehr angewiesen.
Als Gilarra aus diesen Überlegungen auftauchte, hörte sie, wie Galveron gerade sagte: »Ich meinte zu ihr, wir sollten es bis morgen aufschieben. Dann hätte sie mehr Zeit, um sich von dem Abenteuer der vergangenen Nacht zu erholen, aber sie will nicht darauf hören.«
»Nun, du hast den Himmel selbst gesehen«, sagte Aliana. »Die Wolken sind heute sehr hoch, und auch vom Schnee ist es sehr hell draußen. Das könnte der hellste Tag sein, den wir für lange Zeit haben werden. Und ich will nicht warten, Galveron. Ich will diese Aufgabe nicht unerledigt vor mir haben – mal abgesehen davon, dass Alestan mir dauernd in den Ohren liegen wird. Hier Tag und Nacht eingeschlossen zu sein, während mein besorgter Bruder auf mich einredet, würde mir nicht besonders gefallen.«
Gilarras Herz machte einen Sprung. »Wenn du so darüber denkst, dann solltest du es möglichst bald tun«, fand sie. »Und dein Hinweis auf den Himmel ist überzeugend. Hat Kaita dich für gesund befunden?«
Aliana nickte. »Sie sagt, ich bin unverwüstlich.«
»Aber sie hat nicht gewusst, warum du gefragt hast«, hielt Galveron ihr entgegen.
»Galveron, Aliana kann selbst am besten beurteilen, ob sie sich gesund fühlt oder nicht«, sagte Gilarra entschieden. Dabei wusste sie sehr gut, dass sie nur zu ihren eigenen Gunsten sprach, aber sie konnte nicht anders. Dem Mädchen würde sicher nichts geschehen. Diese Straßengören waren zähe kleine Biester.
Galveron zuckte die Achseln. »Also gut. Da ich anscheinend überstimmt bin, sollten wir die frohe Botschaft lieber gleich deinem Bruder überbringen und uns bereit machen. Es ist schon bald Mittag, und ich möchte nicht …«
»Einen Augenblick!«, unterbrach die Hierarchin. »Was meinst du mit wir? Sicherlich wirst du nicht selbst gehen, Galveron. Ich habe nicht die Absicht, dich noch einmal einer Gefahr auszusetzen.«
Der Blick des Hauptmanns verhärtete sich. »Ganz sicher werde ich mitgehen. Wenn Aliana sich noch heute einer solchen Anstrengung unterwerfen will, muss jemand auf sie Acht geben.«
»Dann soll das ein anderer tun«, erwiderte Gilarra abschätzig. »Es ist nicht so lange her, dass du selbst verwundet wurdest. Oder hast du das schon vergessen? Außerdem bist du Hauptmann der Gottesschwerter. Du bist unverzichtbar. Der gestrige Streich war schlimm genug, und ich will nicht, dass solche Ausflüge zur Gewohnheit werden. Es entspricht nicht deiner Stellung, dein Leben zu wagen. Dafür sind deine Männer da.«
»Das mag wahr sein, verehrte Dame, und dennoch werde ich gehen«, sagte Galveron energisch. »Ist dir entfallen, dass diese Mission geheim bleiben muss? Wie sollte man einen anderen schicken können? Niemand darf wissen, dass der Ring fehlt.«
Verdammt! Er hat Recht.
Gilarra seufzte. »Also gut«, stimmte sie zu. »Anscheinend habe ich keine andere Wahl. Dann bleibt mir nur noch, euch Glück zu wünschen.«
Als Galveron und die Diebin gegangen waren, machte Gilarra ihrem Ärger Luft.
Lieber Myrial, was soll ich tun? Ich kann nicht zulassen, dass er derart meine Macht untergräbt. Doch wie sollen wir andererseits ohne ihn auskommen? Seine Männer verehren ihn, und das
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