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Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Titel: Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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sich je hinein. Bisher war niemand von den Grauen Geistern erwischt worden – und Aliana als Gründerin verspürte keine Lust, die Erste zu sein.
    Sie hatte wahrhaftig einen sonderbaren Lebensweg hinter sich. Sie und ihr Bruder waren die Nachkommen eines Kaufmanns und hatten einmal in der Oberstadt gewohnt. Sie konnte sich vage an diese Zeit erinnern. Ihre Mutter war bei ihrer Geburt gestorben, woraufhin der Vater seine ganze Liebe an die Kinder verströmte. Reich und wohlerzogen wie sie waren, schien eine erfolgreiche und glückliche Zukunft auf sie zu warten. Aber als sie neun Jahre alt wurden, starb der Vater beim Brand eines Lagerhauses unten bei den Docks, nachdem eine Ladung Wolle Feuer gefangen hatte. Ihr Onkel übernahm das Geschäft, vorgeblich bis die Kinder erwachsen wären, aber ihm fehlte das kaufmännische Geschick seines Bruders. Innerhalb eines Jahres erhängte er sich, um den wütenden Gläubigern zu entgehen, und die Kinder fanden sich mittellos auf der Straße wieder. Dass sie danach im Labyrinth geduldet wurden, rettete ihnen das Leben. Durch ihr Selbstvertrauen und ihre Tatkraft – zwei Gütezeichen des Händlerstands – sowie mit Hilfe der Bildung, die der Vater ihnen hatte zukommen lassen, schafften sie es gemeinsam bis zum Anführer der Diebesbande, die auch solche Mitglieder unterstützte, die sich nicht selbst ernähren konnten, wie etwa Alte und Krüppel.
    Für einen Anführer, so ermahnte sich Aliana, umfassten die Pflichten mehr, als nur anderen ein gutes Beispiel zu geben. Da diese Ungeheuer die Stadt für sich entdeckt hatten, würden sie nur schwer wieder zu verjagen sein, zumal sie fliegen konnten. Soweit Aliana die Lage richtig beurteilte, würden diese Wesen in absehbarer Zukunft bleiben, und sie musste nun entsprechende Pläne machen. Wenngleich das Labyrinth sicher war, konnte dieser Zustand doch jederzeit in eine Belagerung umschlagen. Die Grauen Geister würden alle Nahrung benötigen, derer sie habhaft werden konnten, um vielleicht schwierige Zeiten durchzustehen, zumal es sehr gefährlich sein würde, die Höhlen zu verlassen. Da sie also schon einmal hier war, konnte sie ebenso gut durchs Haus gehen und einsacken, was immer es an Beute hergab. Sie würde alles mitnehmen, was sich auf dem Heimweg fände, und betete darum, dass die anderen so vernünftig waren, das Gleiche zu tun.
    Die Diebin schlich sich aus dem Waschhaus und ließ den Himmel keinen Moment aus den Augen. Sie hielt sich am Rand des Hofes, wo die hohen Mauern einen hübschen Schatten warfen, und gelangte bis an den Dienstboteneingang der Villa. Obwohl es sie bedauerliche Zeit kostete, machte sie sich daran, sorgfältig das Schloss zu knacken. Gleichzeitig hielt sie nach Gefahren Ausschau. Es wäre einfacher und schneller gewesen, durch das Küchenfenster einzubrechen, aber als Grauer Geist folgte sie ihren Grundsätzen. Zur ständigen Verblüffung der Gottesschwerter hatte die Bande niemals etwas beschädigt und jedes Haus so hinterlassen, als wäre überhaupt niemand eingedrungen. Außerdem könnte das Klirren von Glas oder eine zerbrochene Fensterscheibe die Raubtiere auf sie aufmerksam machen.
    Ein Schatten glitt über sie hinweg. Sie duckte sich nieder, rollte sich zusammen und wurde einer der vielen gestaltlosen Schattenflecken an der Küchentür. Aliana beherrschte es meisterhaft, sich ohne Deckung unsichtbar zu machen. Als die Gefahr vorüber war, setzte sie fieberhaft ihre Arbeit fort. Kurz darauf ließ sich die Tür öffnen. Aliana schob sie nur einen Spalt weit auf, sodass sie knapp hindurchpasste. Hastig schloss sie die Tür hinter sich, lehnte sich an das kühle Holz, wischte sich den Schweiß von der Stirn und wartete darauf, dass ihr Herz zu hämmern aufhörte. Dann legte sie den Riegel vor. Als alles ruhig blieb, wandte sie sich dem Raum und seinem Inhalt zu und machte sich gewissenhaft an die Arbeit.
    Die Küche hatte Vorrang. Sie plünderte die Speisekammer um alles Essbare, dann ging sie in den Vorratskeller, nahm sich eine Flasche mit Schnaps (zur Wundreinigung, sagte sie sich) und ließ mit großem Bedauern den Weinbestand des Kaufmanns unangetastet. Sehr ärgerlich vermerkte sie, dass die Oberschicht von Tiarond sich viel leichter ausreichende Nahrungsmengen beschaffen konnten als das gemeine Volk. Nun, es war höchste Zeit, dass von diesem Überfluss etwas in die Höhlen hineinschwappte. Was sie mitnahm, packte sie in ihren Rucksack, der so genäht war, dass er im leeren Zustand flach

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