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Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Titel: Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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hinausreichte. Er konnte nur noch wenige Schritte entfernt sein. Tormon zog Scall am Arm und zeigte nach vorn. Durch den Dunst war kaum etwas zu erkennen, aber wenn man genau hinsah, erschien ein dunkler Fleck. Der Tunneleingang?
    Tormon bedeutete Scall, dort stehen zu bleiben, wo er gerade war. Er wollte allein das Stück durch die Gischt vorausgehen, um nachzusehen. Scall hatte weiche Knie vor Angst und hätte ihn nur zu gern gehen lassen – aber plötzlich sah er Annas’ kleines, ängstliches Gesicht vor sich. Tormon war ihre einzige Familie. Wenn der Wasserfall ihn mitrisse, wäre das Kind ganz allein. Die Sache war entschieden. »Bleib hier! Ich werde gehen«, schrie er und fasste den Gefährten am Arm, um ihn zurückzuhalten. Er schob sich an Tormon vorbei und tauchte in den Dunstschleier ein. Er konnte kaum einen Schritt weit sehen und tastete sich mit einer Hand an der nassen Felswand entlang. Dabei war ihm die Wucht des Wassers schrecklich bewusst. Es schien ihn geradezu ansaugen zu wollen, um ihn in die Tiefe zu reißen und zu zerschmettern. Der Dunst machte ihm das Atmen schwer. Das Tosen klang wie der Hufschlag einer gigantischen Herde, die endlos und ohne Pause vorbeidonnerte. Er meinte, der Kopf müsse ihm bersten. Doch Scall hielt sich zäh und stolperte weiter voran, nur durch den Felsüberhang vor der Sintflut geschützt, prüfte den holprigen Boden mit dem Stab und näherte sich langsam dem dunklen Fleck, den er durch den Dunstschleier gesehen hatte.
    Plötzlich fasste er ins Leere, wo die Felswand abknickte, und schwenkte seitwärts in die Dunkelheit. Er hatte es geschafft! Er hatte seine Ängste besiegt, sich den rohen Kräften der Natur gestellt und gewonnen. Es war tatsächlich möglich, in den Tunnel zu gelangen, trotz der Gefahr durch den angeschwollenen Wasserfall – und er war derjenige, der es erkundet hatte.
    Scall spürte den Stolz in seiner Brust anschwellen. Vorbei war es mit dem unbeholfenen Lehrjungen, der an allem scheiterte. In Tormons Gruppe war er ein wichtiger, hilfreicher Begleiter; viel nützlicher als diese vornehme und einflussreiche Handelsfrau oder der gebildete Städter, dieser Presvel. Dann ermahnte er sich ernst, nicht zu früh zu frohlocken. Er musste zuerst nachsehen, ob der weitere Weg sicher war, bevor er triumphierend zu den anderen zurückkehren durfte. Das Wasser stand hier noch knöcheltief, und er patschte ein paar Schritte in den Tunnel hinein, um aus der Gischt herauszukommen. Aus seinem Rucksack, der zuvor einem Soldaten der Gottesschwerter gehört hatte, nahm er eine Fackel, die ebenfalls ›geliehen‹ war, wie die gesamte neue Ausrüstung der Gruppe. Er klemmte sie sich senkrecht zwischen die Füße, um die Hände frei zu haben, und nachdem er eine Weile mit der Zunderbüchse herumgefingert hatte, brachte er die Fackel schließlich zum Brennen und sengte sich nur ganz wenig die Augenbrauen an. Er hatte nicht bedacht, dass der abschüssige Tunnel wie ein Kamin wirkte, in dem es stetig von unten her zog. Die Flamme wehte am Fackelstock wie ein Banner.
    Hustend und schnaubend hielt er das Licht hoch und sah sich um. Der gewölbte Durchgang war an die zehn Fuß breit und in der Mitte ebenso hoch. Das dunkle Gestein glänzte vor Nässe, und an der Decke glitzerten Wassertropfen wie Diamanten. Der Boden war rau, was für Karren und Pferde sicherer war als glatter Stein, überlegte er, besonders da der Weg abschüssig war. Das unaufhörliche Gemurmel des abfließenden Wassers, das seine Stiefelspitzen umspülte, hallte zwischen den engen Wänden.
    Scall ermahnte sich, keine Zeit zu vergeuden. Er trug jetzt Verantwortung. Die anderen warteten auf seine Rückkehr, und Tormon würde frierend im Nassen stehen und sich bald fragen, ob etwas Schlimmes passiert sei. Außerdem brannten Fackeln nicht ewig.
    »Komm weiter«, sagte er laut zu sich selbst. »Lass es uns zu Ende bringen.« Sein Herz schlug schnell und heftig, aber er hob die Fackel und setzte seinen Weg ins Unbekannte fort.

 
     
    Blank erwachte bei Tageslicht und war wütend, dass er seiner Erschöpfung nachgegeben hatte. Wie viel Zeit hatte er verloren? Ein Blick zum Kamin, in dem die Asche noch glühte, sagte ihm, dass es nur ein paar Stunden waren. Aber was hätte er andererseits tun sollen? Zwar besaß er die robuste körperliche Verfassung des Magischen Volkes, aber er hatte seine Kräfte in den vergangenen Tagen bis an die Grenze des Möglichen ausgebeutet, und keinesfalls hätte er weitergehen

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