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Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Titel: Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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interessant zu sehen. Er bedauerte fast, dass er dann nicht mehr hier sein würde. Lächelnd trieb er das Pferd an und setzte seinen Weg fort, kehrte dem Stausee den Rücken und überließ die Stadt ihrem Schicksal.
    Während er Gendival entgegenritt, ertappte er sich dabei, dass er vor sich hin pfiff, obwohl ihm der Regen unbarmherzig ins Gesicht geblasen wurde. Die letzten Jahre waren zu leicht gewesen. Es würde viel unterhaltsamer sein, sich wieder einer wirklichen Herausforderung zu stellen. Ja, wenn der Sieg auch unwahrscheinlich erschien, heute hatte er den ersten Schritt auf dem langen Weg zur Macht getan. Und das Beste dabei war, dass es sogar in Callisiora Leute gab, die ihn bei jedem Zoll der Strecke unterstützen würden.
    Wie alle Länder Myrials hatte Callisiora seine eigenen ansässigen Wissenshüter, und Blank hätte seinen Aufenthaltsort nicht so viele Jahre vor dem Schattenbund geheimhalten können, wenn es ihm nicht gelungen wäre, seine Anhänger an diesen gefährlichen Stellen zu postieren. Anfänglich waren geschickte Manöver vonnöten gewesen, und so viele Agenten hatten tödliche Unfälle erlitten, dass es ihm immer wieder verblüffte, dass Cergorn niemals misstrauisch wurde und keine gründliche Untersuchung einleitete. Selbstgefälliger Narr! Er verdiente es nicht, Archimandrit zu sein. Nun, das würde sein Untergang sein.
    Blank genoss die aufwallende Erregung. Zu guter Letzt war seine Zeit gekommen. Er überlegte, welcher Wissenshüter – welcher von meinen Wissenshütern, dachte er – am besten einzuspannen wäre. Einer lebte im Süden an der warmen Küste, der andere im Osten bei den Rotten. (Der dritte, der in Tiarond gewohnt hatte, war kürzlich am Schwarzen Lungenfieber gestorben.) Sein Agent im Süden war zu weit entfernt, um sofort von Nutzen zu sein, aber die Rotten befanden sich in angenehmer Nähe zur Schleierwand, ein kleines Stück südlich vom anderen Ende des Schlangenpasses entfernt. Sobald er das Gebirge überquert hätte, würde er seine Gedanken gebündelt aussenden und Grimm anrufen.
     
    Die östlichen Rotten waren ein verwegenes Volk. Das müssen wir sein, dachte Kalt bedauernd, wenn man bedenkt, unter welchen Umständen wir leben. Der zähe Morast klebte ihm an den Sohlen, während er den Pfad zur Siedlung entlangstapfte, wo die verstreut stehenden, niedrigen Steinhäuser mit den Grasdächern halb in den Boden gesunken waren. Der beißende Rauch von Torffeuern und der Duft von gebratenem Speck zogen durch die Luft und mischten sich bedauerlicherweise mit dem Gestank von Tier- und Menschenkot. Schweine streiften zwischen den Häusern umher und wo man hinsah, scharrten Hühner und liefen schwanzwedelnde Hunde. Kinder sprangen plötzlich hinter einer Mauer hervor und spielten eine komplizierte Verfolgungsjagd, ließen sich in ihrer Ausgelassenheit von dem grauen Nieselregen nicht beeinträchtigen – bis Kalt und sein Meister Grimm in Sicht kamen. Als die zwei schwarz vermummten Überbringer sich näherten und die grausigen Masken erkennbar wurden, stoben die Kinder auseinander, kreischten in aufrichtigem Schrecken und verschwanden in den Eingängen unter den Rasendächern wie Kaninchen in den Bau.
    »Alle Mütter erzählen ihren Kindern, dass sie von den Überbringern geholt werden, wenn sie böse sind«, erklärte Kalts Meister und verzog gequält die Mundwinkel. Er sprach mittels Gedankenübertragung, einer Fähigkeit, die ihn und seinen Schüler von den übrigen Rotten unterschied, und nach seinem Wissen sogar von den Überbringern der anderen Stämme.
    Kalt zuckte die Schultern und antwortete auf demselben Wege: »Ich weiß. Meine Mutter hat mir genau dasselbe erzählt. Als du mich ausgewählt hast, um dein Nachfolger zu werden, bin ich fast gestorben vor Angst.«
    »Und mittlerweile? Da du nun weißt, was du wissen musst, tut es dir Leid, dass ich dich ausgesucht habe?«
    »Frag mich das in ein oder zwei Stunden noch einmal.« Ein Schauder durchlief ihn.
    »Das verstehe ich«, erwiderte Grimm, und sein Mitgefühl war selbst durch die Augenlöcher der Schädelmaske zu erkennen. »Du hast diesen Tag lange gefürchtet, und zweifellos hast du dich in schlaflosen Nächten deswegen gequält, was die finsterste Aufgabe im Leben eines Überbringers ist. Doch wenn alles vorüber ist, so hoffe ich, dass du etwas anders darüber denkst. Es wird nicht leichter mit der Zeit, aber man lernt, sich ein wenig zu lösen, und du wirst die Notwendigkeit einsehen und sogar die Gnade

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