Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines
Schießscharten wie geschaffen, und ich habe Bogenschützen davor aufgestellt.« Er lächelte müde. »Vielleicht reichen die Pfeile aus und wir können die Feinde lehren, dieses Gebiet zu meiden.«
»Also sollten wir sicher sein – fürs Erste jedenfalls«, folgerte Gilarra.
Galverons Lächeln verschwand. »Die Basilika selbst ist gesichert, aber es gibt eine verwundbare Stelle in unserer Verteidigung, die mir Sorge bereitet.«
Die Hierarchin beugte sich auf ihrem Stuhl vor. »Und welche ist das?«
»Die Antwort wird dir nicht gefallen«, antwortete Galveron. »Wir haben sehr großes Glück, dass die Basilika so alt ist. Ich vermute, man hat die Fenster damals so schmal gebaut, weil es noch kein Glas gab. Zu unserem Vorteil. Die anderen Räume mit Fenstern nach draußen wurden später erbaut und zwar über dem Tempel: die Priesterquartiere und die Wohnung des Hierarchen. Dort sind die Fenster breit genug für diese Bestien. Mit deiner Erlaubnis, Hierarchin, werde ich, da es nun dunkel geworden ist, in diesen Stockwerken Soldaten postieren. Es schadet nichts, übervorsichtig zu sein.«
»In meinen persönlichen Räumen?«
»Um dich und deine Familie zu schützen, verehrte Hierarchin«, erklärte der Hauptmann geduldig.
Gilarra rieb sich die müden Augen. »Natürlich. Du hast Recht, Galveron. Du musst tun, was du für das Beste hältst.«
»Ich bin noch nicht fertig. Trotz der Bogenschützen bleibt dieser Bereich für einen Angriff offen, und das bringt uns alle in Gefahr. Ich meine, wir dürfen kein Wagnis eingehen, zumal es unnötig ist. Wir sollten diese zwei oberen Stockwerke aufgeben und die Decke einreißen, um die Treppen zu versperren …«
»Wie bitte?« Die Hierarchin sprang auf. »Wir können nicht einfach den Tempel Myrials einreißen! Ich habe schließlich die Pflicht, ihn für die kommenden Generationen zu erhalten.«
Galveron hob die Schultern. »Verehrte Hierarchin, ich darf dich daran erinnern, dass es wahrscheinlich keine kommenden Generationen geben wird, wenn diese Ungeheuer durchbrechen und in den Tempel vordringen. Jedenfalls nicht in Tiarond, und Myrial allein weiß, was aus dem übrigen Callisiora wird, wenn sie hier Fuß fassen und zu brüten beginnen.«
Gilarra biss sich auf die Lippe. »Aber wenn wir Krieger in diesen Raum stellen, dann ist das doch sicher genug Verteidigung.«
»Das hieße dein Leben aufs Spiel setzen – und das Leben aller anderen in der Basilika. Warum es darauf ankommen lassen? Es ist nur lebloser Stein, wenn man’s recht bedenkt. Wenn die Notlage vorbei ist, werden wir viel Zeit haben, um die Räume wieder aufzubauen.«
»Wenn das alles vorbei ist, wird es uns Jahre kosten, alles mögliche wieder aufzubauen«, warf der Stallmeister ruhig ein. Kaita wusste, dass er nicht nur an den Heiligen Bezirk und die Häuser der Stadt dachte, sondern an seine sorgfältig gepflegten Zuchttiere und Stammbäume, die nun vermutlich dahin waren.
Und was ist mit uns?, dachte sie. Mit den zerstörten Familien, den gebrochenen Herzen und zerrütteten Leben? Was wird aus den verwaisten Kindern? Hoffnungen, Träume, Pläne: alle zerschlagen. So viele Talente, so viel Wissen: alles fort. Es wird lange dauern, ehe wir unsere Stadt wieder hergerichtet haben, und noch länger, bis wir das Gefüge unserer Gemeinschaft geflickt haben. Werden wir uns jemals von diesem Schlag erholen?
In diesem Moment kehrten ihre Gedanken zu Evelinden zurück, und es befiel sie eine so tiefe Trauer, dass sie den Schmerz bis in die Knochen spürte. Die Tränen traten ihr in die Augen, und sie wischte sie hastig fort, gab vor, sich die müden Augen zu reiben, und hoffte, dass niemand es bemerkt hatte.
Ein Krachen riss sie aus ihren Gedanken. Eisiger Wind blies durch den Raum, löschte die Lampen und tauchte sie alle in Dunkelheit. Einen Augenblick lang war alles in Verwirrung, ein Albtraum voller Schatten und rennender Gestalten im flackernden Schein des Kaminfeuers. Stühle schabten über den Boden und fielen um. Man stieß gegeneinander, stolperte, stürzte. Schreie und Flüche gingen durcheinander, und klirrend wurde ein Schwert gezogen. Kaita sah Sergeant Dawel, der dem Fenster am nächsten gesessen hatte, auf die Eindringlinge losgehen.
»Dawel, warte!«, schrie der Hauptmann, aber zu spät. Drei von den fliegenden Teufeln waren bereits im Raum und ein weiterer drang durch das Fenster ein. Die vordersten fielen über den Sergeanten her, der unter Schmerzgeheul zu Boden ging.
Unwillkürlich
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