Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines
bemühte sich Kaita, zu dem Verletzten vorzudringen, während sie aus einer anderen Ecke ein lautes schrilles Weinen hörte. Diese dumme Bergamia, diese nutzlose Kuh, dachte Kaita, dann ragte vor ihr bösartig fauchend ein schwarzes Ungeheuer auf und schlug mit den Krallen nach ihren Augen. Sie machte einen Satz rückwärts, beinahe zu spät, denn die Krallen ritzten ihr die Wange auf und zerrissen ihr Kleid an der Schulter, verhedderten sich in dem losen Stoff. Kaita blickte in das grässliche Gesicht hinauf und erstarrte. Es fauchte sie an, die Züge wutverzerrt, die Fänge weiß schimmernd in dem gebleckten, bluttriefenden Rachen. In diesem Moment drang Galverons Stimme laut und energisch durch das Getöse, kappte das panische Durcheinander. »Flint, Agella, Fergist! Zu mir! Die anderen, raus hier! Kaita, lauf. Hol Hilfe. Los!«
Die Stimme löste den Bann ihrer Erstarrung, und das verblüffte Ungeheuer zögerte den Bruchteil eines Augenblicks. Lange genug. Kaita riss sich von den Klauen los und rannte.
Agella schob Telimon oder Quiller beiseite, sie war sich nicht sicher, wen, und stürmte an Galverons Seite. Seit sie auf den Stufen zum Tempel so knapp dem Tod entronnen war, hatte sie ununterbrochen ihr Schwert getragen, auch wenn es in der Basilika unnötig erschienen war, und sie hatte Fergist überredet, dasselbe zu tun. Irgendwie war ihr die Nähe des kalten Stahls beruhigender erschienen als die dicken Mauern, die sie schützen sollten, und dieser Angriff bewies die Richtigkeit ihres Gespürs. Quartiermeister Flint trug als alter Soldat ganz selbstverständlich ein Schwert. Als alle, die zum Kampf nicht befähigt waren, den Raum verlassen hatten, drangen die vier Verteidiger auf die schwarzen Gestalten ein und trieben sie zurück zum Fenster, sodass ihre widerlichen Kumpane am Eindringen gehindert wurden.
Einen durchbohrte Galveron mit dem Schwert, der stürzte kreischend und flügelschlagend zu Boden. Ein plumper beidhändiger Hieb von Agella köpfte einen anderen, und fast hätte sie Flint dasselbe angetan, so kräftig war der Schwung ihres Schlages, den die reine Furcht führte.
»Aufpassen, Alte«, brüllte der Quartiermeister im Ducken, und während er sich fallen ließ, stieß er sein Kurzschwert aufwärts in den Bauch des dritten Feindes. Der schrie entsetzlich, als das Blut spritzte und seine Eingeweide auf den Boden glitten. Flint kam grinsend wieder hoch, seine Zähne glänzten weiß unter einer blutroten Maske. »Heiliger Strohsack! Es ist wie in alten Zeiten.« Er sprang Fergist zur Seite, der im Leben noch keine Waffe geführt hatte und nun von einem rotäugigen Dämon bedrängt wurde. Flint ließ sein Schwert in dessen Rücken fahren und rammte es so kräftig hinein, dass die Spitze knirschend zwischen den Rippen hindurchstach. Doch im Gegensatz zu Fergist war ein anderer dem Gemetzel nicht entgangen. Zwischen den Kadavern am Boden lag ein Toter mit kurzen blonden Locken, einer der Zwillinge also – Agella konnte sie nicht auseinanderhalten. Die Kehle war herausgerissen, und unter dem Rücken ausgebreitet war eine Blutlache.
Sobald eine Bestie gefallen war, kletterte eine neue durch das Fenster, um sie zu ersetzen. Agella focht neben Galveron und versuchte den Weg zu Sergeant Dawel freizukämpfen. Zuerst kam sie dabei keinen Schritt voran, erst als Flint zu ihnen stieß, gelang es ihnen zu dritt, die Feinde in Schach zu halten, während Fergist nach vorn schoss und den Gefallenen aus dem Raum zog. Dann hörten sie ihn vom Treppenabsatz schreien: »Großer Myrial, beeilt euch. Sie sind auch in den unteren Räumen. Ich kann sie kämpfen hören.«
»Rückzug!«, befahl Galveron. Vorsichtig, um keinesfalls zu stolpern, stiegen sie rückwärts über Kadaver und wichen Blutlachen aus, bis sie an der Tür waren. Keinen Augenblick zu früh, dachte Agella, die das Kämpfen nicht gewohnt war. Ihre Kraft war schnell erlahmt, denn ihre Technik stützte sich mehr auf rohe Gewalt und einen guten Schuss Glück, als auf Geschick, über das Galveron und der einarmige Flint verfügen konnten. »Wenn ich in einem Stück hier herauskomme, dann will ich verdammt nochmal lernen, wie man das richtig macht«, brummte sie.
»Du machst das prima«, befand Galveron. »Mach dich bereit, abzuhauen. Wir sind gleich da. Ich werde die Tür zuwerfen.«
Agella dachte gerade, sie würden entkommen, als sie den Schrei der Hierarchin hörten.
Als die Bestien angriffen, missachtete die Hierarchin Galverons
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