Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
war aber immerhin eine Lösung. Jedoch … »Galveron, ich glaube, es gibt ein Problem.«
Galveron blickte von seinen Kacheln auf. »Was für eines?«
»Tja, Aliana ist vor uns, und wenn sie das Rätsel auf unsere Weise gelöst hat, wenn sie die Geschichte begriffen und die Kacheln in die richtige Reihenfolge gebracht hat …«
»Ja?«
»Warum sind die Kacheln dann nicht mehr hier auf dem Boden? Warum haben wir sie an der Wand vorgefunden?«
Galverons Gesicht erinnerte ihn an eine weit entfernte Zeit in seiner Kindheit, da er und seine Schwester Geburtstagsgeschenke auspackten und anstelle von Spielzeug ein Kleidungsstück zum Vorschein kam. Dann schob der Hauptmann entschlossen das Kinn vor. »Nein, verflucht. Ich bin sicher, dass ich Recht habe. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, wie die Kacheln wieder an die Wand gelangen, aber ich habe nicht vor, mir jetzt darüber Gedanken zu machen.«
»Ich an deiner Stelle täte es«, erwiderte der Dieb. »Denn wenn du Recht hast und ich die Sache richtig sehe, ist die einzige Möglichkeit, wie die verdammten Dinger wieder an die Wand kommen, die, dass jemand hier entlanggeht und sie dort hinsetzt – und wenn jemand anderes hier unten rumläuft, sollten wir lieber vorbereitet sein.«
»Guter Gedanke. Ich bin also darauf gefasst. Wenn einer, der die verdammten Fallen und Rätsel erfunden hat, hier unten herumrennt, wäre ich entzückt, ihn kennen zu lernen«, sagte Galveron grimmig, ehe er sich wieder seinen Kacheln zuwandte.
Achselzuckend schloss Alestan sich ihm an. Wenn es keine andere Möglichkeit gab, konnte er sich genauso gut in die Sache vertiefen. »Sieh mal«, sagte er einen Augenblick später, »der Esel gehört den Riesen, und der Held rennt mit ihm davon, als er sie überlistet. Und da er ihn bei den anderen Abenteuern nicht hat, muss es das letzte sein, bevor er zu Hause anlangt.«
»Gut gemacht!« Galveron klopfte ihm auf die Schulter, und aus irgendeinem Grund war er mit sich lächerlich zufrieden. Vielleicht hatte der Hauptmann am Ende doch Recht gehabt, was den Spaß anging. »Bleibt nur noch der Teil, wo der Mann von einer Hexe gefangen wird, und weil er lauter Brandflecke auf den Kleidern, aber den Sack mit den Schätzen noch nicht hat, gehört das zwischen den Drachen und die Riesen. Das war’s. Wir haben’s geschafft.«
Die beiden Männer lachten einander an. »Komm«, sagte Galveron, »wir wollen sie an ihren Platz legen. Dabei merken wir dann, ob ich richtig oder falsch vermutet habe.«
Sie stapelten die Kacheln aufmerksam in der richtigen Reihenfolge. Am Rand der gefährlichen Zone ging Galveron in die Hocke und zuckte zusammen, weil er das Knie so weit beugen musste. »Gib mir die erste«, bat er und streckte eine Hand nach hinten. Alestan reichte ihm die, wo der tapfere kleine Mann seine Familie verließ, um auf Abenteuer zu gehen, und der Hauptmann setzte sie in die erste blaue Vertiefung, wo sie mit einem lauten Knacken einrastete. »Und jetzt gib mir noch so ein Stück von dem Brotzeug, oder wie immer du es nennen willst.«
Alestan kramte in seinem Rucksack und brach seiner Ration etwas ab. »Hoffen wir, dass das nicht zu oft nötig ist, sonst werden wir hier unten verhungern.«
Galveron besah sich das Bruchstück zweifelnd. »Wenn du mich fragst, so ist das die beste Verwendung dafür. Das ist wie Steine kauen.«
»Ich werde Telimon erzählen, was du gesagt hast. Bestimmt liegt ihm etwas an deiner Meinung.«
»Wenn du das tust, lasse ich dich den ganzen Berg allein essen«, drohte der Hauptmann. Er trat ein paar Schritte zurück. »Gut – und jetzt aufgepasst.« Er brach das harte Kuchenstück in zwei Hälften und warf eine wie gehabt auf die weißen Kacheln. Wieder zuckten die Blitze über den Gang und ein scharfer Geruch breitete sich aus. Galveron nickte. »Die Kachel an die richtige Stelle zu setzen entschärft also noch nicht die Falle«, meinte er halb zu sich selbst. »Das dachte ich mir. Versuchen wir es auf die andere Art.« Sorgfältig zielend, warf er das zweite Geschoss auf die Kachel mit dem bewegten Bild.
Nichts geschah, und ein breites, erleichtertes Grinsen überzog sein Gesicht. »Wie ich gesagt habe. Komm, gib mir die nächste.«
Er trat auf die soeben eingesetzte Platte, musste aber beide Füße daraufstellen, sodass ihm kaum Bewegungsfreiheit blieb. »Das hat keinen Zweck«, murmelte er. Er kehrte auf den sicheren Fußboden zurück, setzte sich hin und zog die Stiefel aus, stopfte die aufgerollten Socken
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