Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
beiden Männern. Nun, da die Begegnung mit dem Archimandriten so kurz bevorstand, stiegen Zweifel in Kalt auf. »Wie man dieses Wesen im Zaum halten kann, um es zu erforschen, weiß nur der Himmel«, sagte er. »Hoffentlich war es richtig, es überhaupt mitzubringen.«
»Nun, es ist zu spät, um sich darüber Gedanken zu machen«, erwiderte Kher und lud das letzte Bündel des Überbringers auf den Boden. »Wenn sie das Vieh nicht haben wollen, können sie jederzeit ein Messer hineinstoßen. Was soll an der Sache so schwierig sein?« Er schüttelte Kalt die Hand. »Gib auf dich Acht«, sagte er, »und sei unbesorgt. Es kommt alles ins rechte Lot. Wie du dich dem Afanc gestellt hast, war großartig. Wenn sie dich nicht als Wissenshüter nehmen, müssen sie verrückt sein.« Er winkte ab, als Kalt ihm danken wollte, saß auf und ritt, die beiden Rottenpferde am Zügel führend, den Pfad hinab zur Siedlung.
Der Überbringer fühlte sich allein gelassen, unwillkommen und verwundbar, wie er da mit seiner gesamten Habe in zwei kleinen Bündeln an dem nackten Berghang stand und keine andere Gesellschaft hatte als ein tödliches Raubtier, das er streng genommen überhaupt nicht hätte bei sich haben dürfen. Er spähte in die Tunnelöffnung und schauderte. Warum wollte der Archimandrit ihn an einem so feindseligen Ort treffen? Warum war ihm nicht gestattet worden, in die Siedlung zu gehen? Das alles verhieß nichts Gutes für seine Zukunft hier.
Dann hörte er Kratz- und Gleitgeräusche aus der Dunkelheit hinter dem Eingang. Ein fremdartiges grünliches Licht leuchtete in der Hand eines jungen Mannes mit hellbraunem Haar und einem ordentlich zurückgekämmten Pferdeschwanz. Kalt merkte mit dem feinen Gespür des Überbringers, dass an dem Mann etwas Seltsames war, und beim Näherkommen erkannte er, dass seine Augen blind waren. Trotzdem bewegte sich der Fremde sicher, und als er Kalt ansprach, schien er genau zu wissen, wohin er sich wenden musste.
»Du musst Kalt sein«, sagte der junge Mann. »Ich heiße Bailen. Wir kommen, um dich zu Amaurn zu bringen.« Er trat einen Schritt zur Seite und hob die bleiche Lichtquelle. Aus der weichenden Dunkelheit erschien eine lange, glänzende Gestalt, borstig und gepanzert, mit einer Menge Beine und Krallen. Ihr Gesicht war schrecklicher als alle Ungeheuer aus Kalts kindlichen Albträumen. Dagegen sah der Afanc ausgesprochen niedlich aus. Der Überbringer kam nicht umhin, erschrocken zurückzuweichen. Bailen schmunzelte. »Und das«, sagte er, »ist der altgediente Wissenshüter Maskulu.«
Kalt gewann nur mit Mühe die Fassung wieder und stammelte einen Gruß. Im Stillen hoffte er, Amaurn werde nicht so Furcht einflößend sein. Er hatte für einen Tag genügend Schrecken durchgestanden. Dann hörte er in seinem Kopf die knirschende Stimme Maskulus: »Nicht so Furcht einflößend wie ich? An deiner Stelle würde ich nicht darauf zählen.«
Toulac hatte nicht geahnt, wie schwer es sein würde, mit Veldan böse zu sein. Den ganzen Weg flussaufwärts hielt sie sich fern und stand allein im Bug, die Gefährten entschlossen ignorierend. Aber das Gespräch ging ihr immer wieder durch den Kopf, und nach einiger Zeit begann sie sich zu fragen, ob sie vollkommen Recht hatte.
Sei nicht albern! Natürlich hast du Recht! Du weißt, was Blank für ein Ungeheuer ist – stell dir vor, was aus der Welt wird, wenn er es erst einmal geschafft hat, so viel Macht in die Hand zu bekommen.
Aber Veldan behauptet, er habe sich geändert.
Was kann ein Mädchen wie sie schon wissen? Sie hat nicht in Callisiora leben müssen, als Blank dort die Fäden zog. Und ich habe geglaubt, ihn loszuwerden, als ich nach Gendival ging! Unter seiner Herrschaft will ich nicht noch einmal leben. Wie lange kann es dauern, bis es wieder so kommt wie damals, als er die Gottesschwerter übernahm? Er hat sich die weiblichen Kämpfer vom Hals geschafft – wann wird er mit den weiblichen Wissenshütern dasselbe tun? Und Veldan wird keine Ausnahme bilden. Dieser verräterische Hund wird sich gegen sie wenden, wie er es mit jedem anderen auch tut.
So überlegte sie endlos hin und her, doch am Ende schien immer dieselbe Antwort herauszukommen. Sie sollte sich von der ruhmreichen Zukunft verabschieden, die sie geplant hatte, und einfach fortgehen. Zu schön, um wahr zu sein, das hatte sie schon die ganze Zeit geahnt. Natürlich blieb immer noch die andere Möglichkeit: sich bei Veldan entschuldigen und Blank einen
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