Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
ich habe dich noch nie im Dorf gesehen.«
»Es hat mich einfach hierher verschlagen«, gab sie zu. »Ich bin mit Wissenshüterin Veldan von Callisiora gekommen. Sie glaubt, ich habe gewisse Begabungen, die dem Schattenbund nützen könnten.«
»Tatsächlich?« Er schob die buschigen Brauen in die Höhe. »Das würde ihr ganz ähnlich sehen. Ihr habt aber wirklich Glück, dass der Archimandrit gewechselt hat, sonst würdet ihr jetzt beide in Schwierigkeiten stecken. Cergorn hielt nichts davon, Fremde mitzubringen. Doch Amaurn könntest du ganz recht sein. Er ist viel gelassener.«
Toulac machte große Augen. »Wirklich? Bist du sicher, dass wir von demselben Amaurn reden? Der vor kurzem von Callisiora gekommen ist?«
»Das ist er, richtig. Es klingt, als könntest du ihn nicht besonders gut leiden.«
»Ich habe auch nie Grund dazu gehabt.«
»So?« Die buschigen Brauen gingen wieder in die Höhe. »Das überrascht mich, wo er dir doch dein Pferd zurückgebracht hat und so weiter.«
Die Söldnerin sperrte den Mund auf. »Was hat er getan?«
»Hast du das nicht gewusst?«
»Er hat Mazal hierher gebracht?« Sie schien es nicht fassen zu können.
»Hat ihn selbst den ganzen Weg geritten – und ich muss sagen, dass er mit ihm keine Schwierigkeiten hatte.« Er lächelte. »Der Kerl weiß mit Pferden umzugehen wie kein zweiter. Kennt sie durch und durch.«
Toulac wurde vom Zorn übermannt. »Er hat Mazal gestohlen? Unglaublich! Dieser Hundesohn hat mein Pferd gestohlen! Pech und Schwefel! Ich habe Veldan ja gesagt, dass er ein verräterischer Hund ist, der vor nichts zurückschreckt.«
»Nicht doch, nicht doch. Augenblick mal!« Harral musste laut werden, um sich Gehör zu verschaffen. »Hast du mir nicht richtig zugehört? Er hat es dir zurückgebracht.«
Toulacs Geschimpfe brach ab. »Mir? Sei nicht dumm! Als ob der niederträchtige Kerl für einen anderen als für sich etwas täte!«
Harral legte eine Hand auf ihre Schulter, wobei er jedoch ein wachsames Auge auf Mazal hielt. »Also nun beruhige dich und hör zu. Ich schätze, du hast eine falsche Vorstellung von unserem neuen Archimandriten. Mir kommt er vor wie ein wirklicher Ehrenmann. Er brachte das Pferd persönlich zu mir und befahl mir, es für dich zu versorgen. Er nannte mir deinen Namen und hat dich beschrieben und so weiter. Meinte, dein Schlachtross sei ein prachtvolles Tier und dass du froh sein würdest, es wiederzukriegen. Ich soll dir seinen Dank ausrichten für die Leihgabe, und falls du einmal Fohlen haben würdest, ob er eines kriegen könnte.« Er kicherte. »Wenn hier jeder ankommt und Fohlen haben will, schätze ich, wird der Hengst viel beschäftigt sein. Doch ich wage zu behaupten, dass er nichts dagegen hat. Ich hätte jedenfalls nichts dagegen, wenn ich an seiner Stelle wäre.«
»Blank, ich meine, Amaurn hat Mazal um meinetwillen hierhergebracht?« Toulac unterzog sich einigen vertrackten Denkanpassungen.
Der Stallmeister zuckte die Achseln. »So hat er’s gesagt. Ist dir nicht wohl?«
»Doch, doch.« Mit einiger Anstrengung kam sie wieder zu sich. Langsam begriff sie, dass Mazal wahrhaftig wieder bei ihr war, und ein riesiges, geistloses Grinsen zog über ihr Gesicht. »Ich kann es nicht glauben«, sagte sie, »ich dachte, ich würde ihn nie mehr wiedersehen.«
»Ich weiß genau, wie du dich fühlst.« Auch Harral machte ein freudiges Gesicht. »Du bist nicht die Einzige, die ein kostbares Pferd verloren geglaubt hat – aber meins war eine Stute. Die Geschichte ist beinahe die gleiche. Irgendein dämlicher Wissenshüter hat sie mitgenommen und nicht auf sie aufgepasst, und ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, sie je wiederzusehen.«
Über seine Schulter hinweg sah Toulac Scall bei dem Tier stehen. Seine Miene war verzweifelt, seine Augen flehten sie um Hilfe an.
»Oh, du meinst die kleine Braune.«
»Woher weißt du das?«, fragte der Stallmeister verblüfft. »Und wer ist überhaupt der Junge da bei ihr? Du, Bursche! Was tust du da bei meinem Pferd?«
»Harral«, sagte Toulac, »ich kann es dir erklären. Aber ich muss unter vier Augen mit dir sprechen. Dringend.« Sie hakte sich bei ihm ein und steuerte ihn auf die Sattelkammer zu. Als sie an Scall vorbeikam, warf sie ihm einen grimmigen Blick zu und zischte: »Bleib dort!« Sie hoffte inständig, dass er gehorchte. Wenn er jetzt versuchte, mit der Stute wegzulaufen – und die Versuchung konnte sie ihm nachfühlen –, dann hätten sie beide einen Riesenärger am
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