Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
rauskommst.«
Cetain stieß einen Siegesschrei aus und drückte sie an sich, dass ihre Rippen knirschten. »So lange ich lebe, will ich da nicht wieder raus.« Er küsste sie herzhaft. »Wirklich, ich dachte, du würdest nein sagen.«
Seriema lachte und nahm einen Lakenzipfel, um sich die Freudentränen abzuwischen. »Ich kann es nicht glauben«, sagte sie. »Als Tiarond fiel, dachte ich alles verloren zu haben. Ich wusste damals noch nicht, welches Glück schon um die Ecke auf mich wartet.«
»Also, Mädchen – du bringst es noch dahin, dass ich rot werde. Möchtest du etwas frühstücken?«
»Ich sterbe vor Hunger«, gestand sie. »Selbst kalter Haferbrei sieht langsam verlockend aus.«
Cetain legte ihr die Decke um die Schultern. »Ich schichte noch etwas Holz aufs Feuer, bevor du erfrierst.«
Sie hielten sich nicht lange mit dem Frühstück auf, es war nicht das köstlichste Essen der Welt und im Zimmer war es zu kalt, um in unbekleidetem Zustand dazusitzen. Als sie fertig waren, nahm Cetain ihre Hand. »Nun, Mädchen? Wollen wir die gute Nachricht meinen Eltern überbringen?«
»Hoffen wir, dass es nicht eine furchtbare Enttäuschung für sie wird«, sagte Seriema zweifelnd. Plötzlich fühlte sie sich schrecklich unruhig.
»Das wird es nicht«, antwortete Cetain verlegen. »Ich, äh … ich war so frei, ihnen meine Absicht vorher kundzutun. Als ich gestern mit meinem Vater sprach, hatte ich mich bereits entschlossen, dich zu fragen, und war in Gedanken so sehr damit beschäftigt, dass – dass es aus mir herausbrach. Daher wussten sie, was ich tun würde.«
Seriema sah ihn fassungslos an. »Du hast es ihnen schon gesagt? Und wenn ich nun nein gesagt hätte?«
»Tja, in diesem Fall bräuchte ich jetzt alles verfügbare Mitgefühl.«
»Und sie hatten nichts einzuwenden?«
Er zuckte die Achseln. »Also, zuerst murrten sie etwas, die Mädchen unserer Sippe seien wohl nicht gut genug – du weißt, wie das ist. Darum gab ich zu bedenken, dass wenn ich noch keine ins Auge gefasst hätte, ich es wahrscheinlich auch in Zukunft nicht tun würde. Meine einzige Möglichkeit bestünde also darin, mich bei einer anderen Sippe umzusehen. Du hättest gestaunt, wie schnell sie ihre Ansicht änderten. Meine Vater meinte, was ihn beträfe, so hättest du schon bewiesen, dass du eine von uns bist, als du mit mir und meinen Männern geritten bist, und meine Mutter fand, du seist trotz allem die Erbin eines großen Vermögens, falls Tiarond wieder aufleben würde, und das käme der Sippe zugute.«
»Puh«, schnaubte sie. »Hoffentlich hält sie keine Wette darauf. Aber solange sie beide zufrieden sind, können sie denken, was sie wollen.«
Cetain schmunzelte und seufzte erleichtert. »Ich bin froh, dass du es mir nicht übel nimmst«, sagte er. »Wollen wir jetzt zu ihnen gehen?«
»Warte«, wand Seriema entrüstet ein. »Ich möchte mich wenigstens vorher waschen.«
»Natürlich.« Er küsste sie wieder. »Wer hätte gedacht, dass du wirklich eine Jungfer bist? Wenngleich man hört, die Männer von Tiarond hätten zu viel zwischen den Ohren und gar nichts zwischen den Beinen! Ich persönlich vermute jedoch, dass sie auch nichts zwischen den Ohren haben, wenn sie dich haben entwischen lassen. Ich bin wirklich höchst zufrieden mit mir, zu einem solchen Schatz gekommen zu sein.«
Es lag an Seriemas Unerfahrenheit, dass sie noch immer nicht wusste, ob er etwa auf ihre Kosten Witze machte. Und sie war es auch nicht gewöhnt, über geschlechtliche Dinge zu sprechen. Mit hochrotem Gesicht floh sie hinter den Vorhang, wo Wasserkrug und Waschschüssel standen. Wie sie sich in dem blank geriebenen Silberspiegel betrachtete, der auf einem Wandbord lehnte, konnte sie noch immer nicht glauben, dass er sie gewählt hatte. Sie hatte noch dasselbe reizlose Altjungferngesicht – oder doch nicht? Sie musste zugeben, dass die vergangenen Tage eine Veränderung bewirkt hatten. Vom Reiten an der frischen Luft hatte sie Farbe auf die Wangen bekommen, und ihre jüngsten Possen hatten ein Strahlen in ihre Augen gezaubert und ihre ganze Erscheinung besaß ein nie dagewesenes Feuer. Denn ausnahmsweise hatte sie keine Kopfschmerzen, weil sie über Berichten, Bestandslisten und Rechnungsabschlüssen gehockt hatte, ihre dichten dunklen Brauen waren nicht zusammengezogen, und die neue Angewohnheit, das Haar offen zu tragen, milderte ihr kräftiges Kinn und gab den harschen Gesichtszügen einen schöneren Rahmen. Die Liebe hatte sie weicher
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