Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
hatte sich alles zurecht gelegt. Bei seinem Plan, die Schuld an Grimms Tod auf einen der Gefährten zu schieben, hatte er nach einigem Nachdenken beschlossen, Tormon und Rochalla zu belasten. Das war nur gerecht. Nachdem sie ihn betrogen hatte, indem sie sich an Scall und den Händler hängte, verdiente sie, was immer nun auf sie zukam. Außerdem hatte er entdeckt, dass sie Annas mehr oder weniger zur selben Zeit zu Bett gebracht hatte, als Scall die große Halle verließ. Es war demnach wahrscheinlich, dass sie zusammen gewesen waren, als Grimm starb. Falls sie nicht beide schuldig erschienen, könnte einer den anderen entlasten.
Und was hatte sie mit Tormon getan, als sie allein waren? Hatte sie ihm erlaubt, sie anzufassen, wie auch schon dem Jungen? Das Luder verdiente es, die ganze Geschichte auszubaden. Wäre sie nicht gewesen, nichts von alledem wäre geschehen.
Das Erste, was er unternommen hatte, war, sich ein anderes Messer zu beschaffen – ein Rottenmesser. Es in die Hand zu nehmen war ihm zuwider, doch es war besser für ihn, vorbereitet zu sein. Als zweites hatte er Rochalla das Soldatenmesser gestohlen, das sie im Wachhaus an sich genommen hatte. Sie hatte es ohnehin nie so recht haben wollen und es auch nicht benutzt. Er hatte es aus ihrem kleinen Bündel mit den wenigen Habseligkeiten entwendet und mit etwas Glück würde sie das Fehlen nicht bemerken.
Auch war es ihm gelungen, eine Weste und einen Schal zu stehlen, genauer gesagt, von den Kleidern, die Tormon und Rochalla aus Mildtätigkeit von den Rotten bekommen hatten. Von dem Huhn, das er in der Nacht von der Stange geholt und getötet hatte, stammte das Blut, mit dem er die Kleidungsstücke und das Messer so überzeugend beschmierte. Er konnte noch immer nicht begreifen, wie viel schwerer es gewesen war, vorsätzlich das Tier zu töten, als versehentlich den alten Mann.
Nun wurde es Zeit für den nächsten Schritt seines Plans. Heute Morgen würde er die Waffe und die blutbefleckte Kleidung Seriema bringen und sagen, er habe beides in Tormons Zimmer gefunden. Dann würde sie den Rest erledigen. Presvel wickelte beides in einen alten Sack und machte sich auf die Suche nach ihr.
Als er entdeckte, dass die Herrin sich beim Häuptlingssohn aufhielt, konnte er es zunächst gar nicht glauben, und was das Gerücht anging, das sich wie ein Lauffeuer in der Festung verbreitete – nein, einfach unmöglich. Bei weiterem Nachdenken befand er aber, dass sich die Dinge für den unwahrscheinlichen Fall, das Gerücht wäre wahr, vielleicht doch zu seinem Besten entwickelten. Die Sache hatte ohnehin schon alle von dem Mord abgelenkt, und weil ihre Aufmerksamkeit von etwas völlig anderem gebannt war, würden sie seine Geschichte viel leichter hinnehmen. Wenn er Seriema jetzt aufsuchte, solange sie beim Häuptlingssohn war, wären sie alle beide, ob sie nun ihr Jawort gegeben hatte oder nicht, mit ihren Gedanken ganz woanders, und Arcan würde seine Darstellung des Geschehens umso schneller anhören. Außerdem war doch ein Rohling wie dieser sicher mehr geneigt, etwas nach dem äußeren Schein zu beurteilen, als unangenehme Fragen zu stellen, wie sie der gerissenen Seriema einfielen.
Die Hand schon zum Klopfen erhoben, zögerte Presvel vor Cetains Tür, als er dahinter die Stimmen vernahm. Die Neugier siegte, er ließ die Hand sinken und legte ein Ohr an das Holz.
Als er hörte, was drinnen gesprochen wurde, stockte ihm der Atem und seine Eingeweide verkrampften sich. Der älteste Sohn des Häuptlings war bei ihnen. Und er hatte das Messer! Dieser verfluchte Straßenräuber wollte Seriema das Messer zeigen.
Wird sie es erkennen? Bitte, Myrial, lass sie nicht erkennen, dass es meins ist! Und wenn doch, dann lass sie es verschweigen!
Einen Augenblick lang wagte er zu hoffen. Vielleicht ginge es noch einmal gut. Nachdem er ihr so viele Jahre treu gedient hatte, würde sie ihn doch nicht kurzerhand verraten, ohne ihm zu ermöglichen, dass er sich zuerst erklärte. Dann schien der Boden unter ihm wegzubrechen, als sie das Messer als seines bezeichnete.
Presvel ließ sein blutiges Bündel fallen und floh. Nun konnte er die Schuld nicht mehr auf andere schieben. Die Zeit für irgendwelche Schliche war abgelaufen. Als er am Fuß der Treppe ankam, zwang er sich vernünftigerweise, so langsam zu gehen, als wäre nichts geschehen. Es fiel ihm nicht leicht. Obwohl er wusste, dass das Unsinn war, hatte er das Gefühl, als wären alle Blicke auf ihn gerichtet.
Noch
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