Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
gedacht?
Bald hatte er das Gewünschte gefunden, hielt die Büchse unter das Rinnsal und wartete ungeduldig, dass sie sich füllte. Als es soweit war, stellte er bestürzt fest, wie wenig hineinpasste. Bei dieser Ausbeute würde er die ganze Nacht hin und her laufen müssen! Seufzend schob er den Krug unter das Wasser und trat vom kalten Wind zitternd von einem Bein aufs andere, bis auch das zweite Gefäß voll war.
Als er wieder bei der Hütte ankam, ging die Sonne unter und badete den Strand in rotgoldenes Licht. Ein kleines Feuer prasselte vergnügt in dem Lager zwischen den Felsblöcken. Auf dem Deckel der Blechbüchse buken Krabben über dem Feuer und zischten und knackten von der Hitze. Von dem würzigen Duft lief Zavahl das Wasser im Mund zusammen. Toulac war unten am Wasser. Sie saß auf einem Stein, und mehrere Dobarchu hüpften um sie herum im Wasser auf und nieder. Zavahl fragte sich, worüber sie wohl sprachen – dann wunderte er sich, wie leicht er es hinnahm, dass diese pelzigen kleinen Geschöpfe überhaupt sprechen konnten. Er setzte seine Gefäße vorsichtig ab – da er jeden Tropfen würde herbeitragen müssen, erschienen sie ihm alle kostbar – und gesellte sich zu Toulac. Neben ihr auf dem Felsen lag ein silberglänzender Haufen Fische, und sie war dabei, sie mit einem kleinen Messer flink und kundig auszunehmen.
»Woher hast du das denn?«, fragte Zavahl erstaunt.
Toulac unterbrach ihre Tätigkeit und blickte auf. »Ich hatte es in meinem Stiefel versteckt.«
»Warum hast du es dann nicht benutzt, als wir die Hütte gebaut haben? Ich habe fast keine Haut mehr an den Fingern, weil ich die Zweige alle brechen musste.«
»Damit es für solche Aufgaben wie Fische ausnehmen scharf bleibt«, erwiderte Toulac. »Das Messer ist sehr klein. Es ist unser einziges Werkzeug. Wir dürfen es nicht stumpf machen oder etwa die Klinge abbrechen, indem wir auf einen Haufen Zweige einhacken, die wir ebenso gut mit den Händen abbrechen können. Mit dem Schwert ist es dasselbe. Man weiß nie, wann wir es mal brauchen werden.«
Zavahl setzte sich auf den Felsen und seufzte. »Stimmt.« Diese Details wirkten immer so selbstverständlich, wenn Toulac sie erklärte. »Ich komme mir hier draußen so dumm vor.«
Die alte Kriegerin blickte ihn überrascht an. »Ich hätte nie gedacht, den Hierarchen von Callisiora das eines Tages sagen zu hören.«
»Ich bin nicht mehr Hierarch von Callisiora.« Zavahl sah nicht auf, sondern starrte weiter vor sich hin. »Ich weiß nicht, was ich bin.«
»Denk an die vielen Freuden, die du von nun an kennen lernen wirst«, sagte Toulac. »Besonders an die mit Ailie.« Sie zwinkerte ihm zu, und Zavahl stieg die Hitze ins Gesicht. »Hör zu«, fuhr sie fort, »an dir ist gar nichts verkehrt, solange du nicht in Selbstmitleid verfällst. Natürlich weißt du nichts über das Leben hier draußen, aber du hast schließlich ein entsetzlich behütetes Leben geführt und seitdem nicht gerade viel Zeit gehabt, alles zu lernen. Du bist so verständig wie jeder andere Mann, Zavahl. Das alles ist eine Frage der Erfahrung, und um die zu erlangen, gibt es nur einen Weg. Aber es wird dir gut gehen, du wirst sehen. Und beim nächsten Mal, wo du in eine solche Lage kommst, wirst du selbst ein Messer im Stiefel haben.« Sie grinste ihn an. »Ich werde dir zeigen, wo man eins herkriegt.«
Sie gingen vom Wasser weg und zur Hütte hinauf. Ihre Schritte knirschten auf den feuchten Kieseln. Toulac hatte flache Steine um das Feuer gelegt, und nun wickelte sie die Fische in breite Blätter, die sie von der Ebene mitgebracht hatte, und legte sie zum Braten auf die heißen Steine. Während sie darauf warteten, dass das Essen gar wurde, berichtete Toulac, was sie von den Dobarchu erfahren hatte.
»Ihr Land wurde überfallen, von irgendwelchen fremden Geschöpfen – so genau habe ich das nicht verstanden. Ich glaube, sie kamen durch die Schleierwand, genau wie die fliegenden Bestien, von denen Elion erzählt hat, dass sie Tiarond angegriffen haben. Die Ärmsten, es sind nur eine Hand voll von ihnen übrig. Sie glauben sogar, dass sie die einzigen Überlebenden sind. Es ist ein Wissenshüter unter ihnen, Mrainil, der sich nicht um die Bestimmungen schert und beschlossen hat, sein Volk nach Gendival zu bringen. Anderenfalls würden die Dobarchu aussterben. Er schien ziemlich erleichtert zu sein, dass Cergorn nicht mehr an der Macht ist. Er hofft, dass wer immer jetzt am Ruder ist, gemäßigtere Ansichten
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