Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
Land. Auch mir fällt es nicht leicht, aber ich weiß, dass wir Arcans Leuten auf lange Sicht viel besser helfen können, wenn wir fortgehen.«
Kalt sah seinen Lehrer eine Weile an, bevor er antwortete. »Ich weiß nicht, wie weit du fortzugehen gedenkst, aber wir werden mit leichtem Gepäck reisen müssen, Grimm. Die einzige Art, wie wir von hier wegkommen, ist, in der Nacht fortzuschleichen – und selbst dann können wir von Glück reden, wenn wir nicht von Arcans Wachtrupp entdeckt werden.«
Grimm nickte. »Es muss heute geschehen, wo der drohende Überfall alle so in Atem hält.«
Kalt grinste. »Ich weiß. Das ist, als versuchte man an Izobias Tür vorbei nach unten zu schleichen, ohne dass sie den Kopf rausstreckt, um herauszufinden, was vor sich geht …« Er riss die Augen auf. »Die Hüter mögen uns bewahren! Was sollen wir mit Izobia und dem kleinen Lannol machen? Seit Arcan sie verstoßen hat, hat sie niemanden, der für sie sorgt.«
»Auch damit hast du Recht«, antwortete Grimm. »Wir sind für die arme Frau verantwortlich, und wir müssen dafür sorgen, dass Arcan sie in unserer Abwesenheit aufnimmt. Er ist zu Recht zornig auf uns beide, aber ich werde nicht zulassen, dass er sie und ihr Kind ein zweites Mal hinauswirft.« Er setzte sich auf seine Werkbank und schaute mit schmalen Augen zum Fenster hinaus, während er darüber nachdachte. »Und da gibt es noch etwas, das ich dir bisher nicht erzählt habe, Kalt. Einen weiteren Gefahrenpunkt, fürchte ich. Wenn wir gehen, müssen wir Scall mitnehmen.«
»Was? Grimm, das ist nicht anständig.«
»Ich weiß.« Der Überbringer seufzte schwer. »Mir gefällt das so wenig wie dir, aber ich habe gar keine Wahl. Das sind meine Befehle. Mein Meister will ihn wegen der Höhle befragen, die er entdeckt hat.«
Kalt seufzte. »Ich sehe nur nicht, wie wir das schaffen sollen. Wir müssen Izobia sicher unterbringen, Scall aus der Festung entführen und Arcans Wachen aus dem Weg gehen – und bei all dem noch hoffen, dass die fliegenden Bestien nicht kommen, während wir über die offene Heide ziehen. Wie soll uns das denn alles gelingen?«
Der Überbringer schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, und wir haben sehr wenig Zeit, um uns eine Lösung auszudenken. Arcan will bis Sonnenuntergang alle in der Festung haben, und er wird die Tore bis zum Morgen verriegeln und verrammeln.« Er schob seinen Gehilfen aus dem Arbeitszimmer und schloss die Tür ab, ehe er die Treppe hinunterstieg. Nach einem letzten kummervollen Blick kam Kalt hinter ihm her, aber als sie am Fuß der Treppe angekommen waren, fasste er seinen Lehrer und hielt ihn auf. »Grimm? Was waren das da oben für Geschöpfe? So etwas habe ich noch nie gesehen.«
Grimm lächelte ihn an. »Wie alles andere werde ich dir auch das unterwegs erzählen.«
Aber eines ist sicher, mein Junge. Du wirst noch viel befremdlichere Geschöpfe sehen, wenn ich dich durch die Schleierwand gebracht habe.
Der Frachtsegler kam rechtzeitig mit der einsetzenden Ebbe bei der Mündung an, was gerade recht war. Nach Meglyns Erfahrung legte sich der Wind stets bei Sonnenuntergang, aber das ablaufende Wasser würde sie noch hinaus bis zum Dorf tragen, das sich auf der Südseite der Mündung an die Küste schmiegte. Elion stand mit Veldan und dem Feuerdrachen an Deck und saugte die Schönheit der Landschaft in sich auf. Der Fluss mündete nach Südosten, sodass das Licht der untergehenden Sonne von hinten kam. Die Hügel hoben sich wie ein Scherenschnitt von dem flammenden Himmel ab, und der Ozean sah aus wie flüssiges Gold. Am Horizont ging der wolkenlose Himmel in Saphirblau und Violett über, je weiter der Abend über das Land kroch.
Die Inseln der Bucht schienen auf dem abendlichen Wasser zu treiben, das dunkle Gestein ihrer Gipfel und Klippen fing das letzte Sonnenlicht ein. Der Anblick war erhebend, aber was Elion betraf, so fand er ihn von Kummer getrübt. Melnyth hatte diese Küste geliebt, die kleinen Häfen, die einsamen Fischerdörfer. Sie war ein sehr guter Matrose gewesen, hatte Wind und Wellen hervorragend deuten können und war mit allen Launen der See vertraut gewesen. Sie hatte die rauen Hafenschenken gemocht, und die wüste Gesellschaft der Fischer und ihrer Frauen, der Stauer und Dirnen, Wandersleute, Händler und der Fischausweider, die nach den Routen der Fischschwärme von Hafen zu Hafen zogen. Niemals war sie glücklicher, als wenn sie bis zum Morgengrauen mit den alten Matrosen Garn spann
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