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Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit

Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit

Titel: Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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andere Geschichte aus, und morgen erzähle ich dir mehr von Esmeralda und ihrem Freund.«
    »Versprichst du es?«
    »Ich verspreche es.«
    »Ach, dann ist es gut. Kann ich denn stattdessen die Geschichte über die Katze und den Mond hören, Papa?«
    Das schnitt ihm tief ins Herz. Kanella hatte sich die Geschichte einmal für Annas ausgedacht, und seitdem war das immer ihre liebste gewesen. Plötzlich sah er sie lebhaft vor sich, hell und strahlend wie ein Juwel, und das gemütliche Innere des bunt gestrichenen Wagens, der bis vor wenigen Tagen noch ein glückliches Zuhause gewesen war; Annas in der Schlafkoje, wie ihre großen Augen über den Rand der blau-weißen Wolldecke spähten, und Kanella, die neben ihr beim Schein der Lampe auf einem Stapel Schaffelle saß und mit verzauberter Miene lächelnd ihre Geschichte spann.
    Rochalla beugte sich zu Annas hinunter und gab ihr einen Gutenachtkuss, und das Bild zersprang wie Glas und hinterließ eine klaffende Leere, die so tief ging, dass es ihm für einen Moment den Atem raubte. Als sie an Tormon vorbei zur Tür ging, legte sie ihm mitfühlend eine Hand auf die Schulter. »Solange du die Geschichte erzählst, werde ich hinuntergehen und etwas zu Essen für dich besorgen. Ich möchte wetten, du hast den ganzen Tag noch nichts zu dir genommen.« Dann ging sie hinaus und rief Annas ein letztes Gute-Nacht zu, während sie die Tür schloss.
    Die Kleine lächelte schläfrig. »Ich mag Rochalla«, sagte sie. »Aber, Papa … wann kommt Mama zurück?«
    Tormon erstarrte. Er vergaß immer wieder, wie anders die Welt für eine Fünfjährige aussah. Für jemanden, der erst so kurze Zeit lebte, war es unmöglich zu begreifen, dass der Tod unwiderruflich war. Und was sollte er ihr sagen? Wie es erklären? Er nahm ihre Hand. »Annas«, sagte er sanft, »du musst dich damit abfinden, dass du deine Mama für lange, lange Zeit nicht wiedersiehst – nicht ehe du selbst eine sehr, sehr alte Dame geworden bist und ihr dorthin folgen kannst, wo sie jetzt ist.«
    Ich kann ihr nicht sagen, dass sie ihre Mutter nie wiedersehen wird, aber mit diesem Trostbild kann ich den Schlag vielleicht ein wenig mildern. Und schließlich hoffe ich selbst von ganzem Herzen, dass es wahr ist. Wenn wir nach unserem Tod fortbestehen, dann werden wir Kanella eines Tages wiedersehen.
    Annas’ Mund zitterte. »Aber ich vermisse sie. Ich will nicht eine lange, lange Zeit warten.«
    Mit Tränen in den Augen nahm Tormon sie in die Arme. »Ich auch nicht, Liebes. Ich auch nicht. Aber wir können es uns nicht aussuchen.«
    Während Annas ihrer Lieblingsgeschichte lauschte, blieb sie sehr ruhig, und der Händler war erleichtert, als sie schließlich einschlief, ehe er geendet hatte. Gesegnet sei Rochalla, dass sie den Tag über so viel mit ihr unternommen hatte! Gerade als er so an die schlanke, blonde junge Frau dachte, flog die Tür auf, und sie stürzte ins Zimmer, rüttelte ihn am Arm und rief: »Tormon, du musst kommen!«
    »Schsch.« Mit einem Wink auf die schlafende Annas zog er sie nach draußen und schloss die Tür hinter sich. »Nun, Mädchen – was ist los?«
    Rochalla war offensichtlich die ganze Treppe hinauf gerannt und konnte nur stoßweise atmen. »Arcans Überbringer wurde getötet … Man hat seine Leiche in den Ställen gefunden … und Scall wird vermisst – sein Pferd ist fort …«
    Der Schrecken legte sich wie eine würgende Hand um Tormons Kehle. »Gib auf Annas Acht«, befahl er. »Lass sie nicht allein.« Damit war er fort und stürmte blindlings die Treppe hinunter. Wohin konnte Scall verschwunden sein? In den letzten paar Tagen war er ihm so lieb geworden wie ein Sohn. Er würde ihn schleunigst finden müssen. Was immer dem Jungen zugestoßen war, das hatte ganz sicher Schlimmes zu bedeuten.
     
    Sie sehe aus, als gehöre sie in das stürmische Hochmoor, hatte Cetain gesagt, aber es dauerte nicht lange, bis Seriema zu dem Schluss kam, dass der Mann ein Narr sein musste. Niemand sollte hierher gehören, in dieses scheußliche Wetter! Bei Einbruch der Dunkelheit ging der Graupelregen in Hagel über, und die warme Glut, die seine albernen Worte zunächst in ihr hervorgerufen hatten, bot keinerlei Schutz gegen die herabfallenden Eisstücke. Und es war so plötzlich gekommen, ohne allmähliche Veränderung, so erschien es ihr jedenfalls. Von einem auf den anderen Augenblick hatten sich die Eiskörnchen in Eiskugeln verwandelt, die zischend aus der Luft kamen und ihr auf die nackte Haut

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