Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
fast alles dafür geben, um diesem unaufhörlichen Sturm zu entkommen. Der Hagel und die Eiseskälte waren schon schlimm genug, aber den Wind fand er inzwischen entschieden beunruhigender. Sein misstönendes Geheul hörte sich an wie ein widerliches, grauenhaftes Wesen aus dem grässlichsten aller Albträume. Er sagte sich zwar, dass seine Einbildungskraft nicht mit ihm durchgehen dürfe, aber ohne Erfolg. An dem Wetter war etwas Unnatürliches, und sein besonderes Wahrnehmungsvermögen, das jeder Überbringer ausbildete, sagte ihm, dass er sich in wachsender Gefahr befand. Wieder einmal schaute er voller Unbehagen über seine Schulter. Je eher er durch die Schleierwand käme, desto sicherer würde er sich fühlen.
Der Abend war bereits fortgeschritten, als Toulac Zavahl zum Schlafen in die Hütte schickte. »Einer von uns muss aufbleiben«, sagte sie, »um das Feuer in Gang zu halten und nach Veldans Schiff Ausschau zu halten. Vielleicht sehen sie den Schein des Feuers, aber zwischen den Felsblöcken liegt es so gut verborgen, dass wir darauf nicht zählen können.« Während sie redete, suchte sie ein paar lange, gerade gewachsene Stücke aus dem Treibholzhaufen. »Die sollten als Fackeln genügen, damit können wir Zeichen geben, sobald wir auf dem Wasser ein Licht sehen. Mrainil der Dobarchu sagt, dass es in der Bucht ein paar gemeine Riffe gibt, aber er kann das kleine Boot, das uns aufnehmen soll, durchaus bis zum Ufer lotsen.«
Nachdem sie die Fackeln sorgsam beiseite gelegt hatte, brachte sie geschickt das Feuer zum Lodern. »Da. Das sollte eine Zeit lang brennen. Du machst, dass du in die Hütte kommst und schläfst, Junge. Ich wecke dich später, wenn du mit Wachen an der Reihe bist.« Sie blickte zu dem klaren Sternenhimmel hinauf und fröstelte. »Das Schlimmste wird die Kälte sein. In so einer Nacht und ohne Mantel oder Decke wird man immer wieder mal ans Feuer gehen müssen.« Sie zuckte die Achseln. »Na schön. Das werden wir schon schaffen. Bis später.« Damit verschwand sie in die Dunkelheit hinter dem Feuerschein.
Zavahl, der sich noch immer fragte, wann er mal zu Wort käme, blieb noch einige Augenblicke sitzen, aber er war von den Schrecken und der Schlaflosigkeit der vorigen Nacht sowie den Anstrengungen des Tages ganz erschöpft. Er trank einen Schluck Wasser von dem schrumpfenden Vorrat im Krug und kroch in die Hütte. Schon seit sie das Gebilde fertiggestellt hatten, freute er sich darauf, aber bald fand er das Lagern im Freien doch nicht so reizvoll, wie es ihm vorher erschienen war. Da es nichts gab, was ihn von den Kieseln trennte, war es unmöglich, bequem zu liegen. Die Steine unter den Schultern und Hüftknochen kamen ihm besonders scharfkantig und klobig vor, und jedes Mal wenn er glaubte, die Schlimmsten weggeräumt zu haben, kamen andere und nahmen ihren Platz ein. Schlimm war außerdem die Kälte. Wenngleich die Hütte etwas von der Hitze des Feuers einfing, wie Toulac es hatte bewirken wollen, saugte doch der Boden das bisschen verbliebene Wärme aus seinem Körper, und er konnte sich kaum vor dem Frieren schützen.
Zitternd und elend lag er wach.
Kein Wunder dass Toulac so zäh ist, wenn sie das schon ihr Leben lang tut.
Er überlegte, ob er ihr Gesellschaft leisten oder sogar anbieten sollte, eine Weile Wache zu stehen, da er ohnehin nicht schlafen konnte. Doch leider hieße das, sich vom Feuer zu entfernen. Gerade als er mit seinem Gewissen rang, sah er hinter dem überhängenden Rand der Hütte eine huschende Bewegung. Die Dobarchu kamen wie Wogen über die Felsen geglitten.
Zavahl starrte mit unverhohlener Neugier zu ihnen hin. Die Ausgewachsenen waren über drei Fuß lang (oder sollte man sagen, hoch?, so dachte er, als sie sich auf die Hinterpfoten stellten). Von den drei Jungen waren zwei nur halb so groß, und sie hatten noch den niedlichen Flaum und die Rundlichkeit des Säuglingsalters, während der dritte ein linkischer Heranwachsender war, der seine volle Größe bald erreichen würde. Sie ließen sich um das Feuer nieder, plusterten das Fell auf, aalten sich genüsslich in der Wärme und schirmten gleichzeitig die Hütte davon ab.
Zavahl zögerte. Er wollte sie bitten, ein wenig zur Seite zu rücken, aber verstanden sie die menschliche Sprache? Außerdem hatten selbst die Jüngeren kräftig aussehende Kiefer und spitze Zähne, und an den Fingern und Zehen ihrer Tatzen, die Händen sehr ähnlich sahen, saßen kurze, aber scharfe Krallen. Was immer
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