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Der Schattenesser

Der Schattenesser

Titel: Der Schattenesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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beiden hatte es eine besondere Bewandtnis. Die Männer waren nach der Eroberung Prags zum Wachtrupp abkommandiert worden. Ihre Aufgabe war es, gemeinsam mit Hunderten weiterer Söldner die verschlossenen Tore der Stadt zu bewachen. Niemand sollte hinein-, niemand hinausgelangen. Der Dienst an den Toren war nicht hart, doch die Eintönigkeit und das Verbot, wie alle übrigen Söldner in den Häusern und Palästen zu plündern, sorgten für Ärger und Ungehorsam im Wachtrupp. Während die gemeinen Soldaten nichtsnutzig durch die Straßen zogen, Tage und Nächte versoffen und allerlei Gold und Weib ihr eigen nannten, mußten sich die Wachmänner an den Toren mit nichts als fader Ehre und halbherzigen Versprechungen bescheiden. Die Moral unter den Männern wurde von Mal zu Mal schlechter, wenn ihnen einer ihrer Kampfgefährten trunken und mit Schmuck behängt aus den Gassen entgegentorkelte. Schließlich beschlossen einige, aus dem Heer zu desertieren und sich in den umliegenden Dörfern das zu holen, was ihnen in der Stadt verwehrt blieb.
    Am Abend überwältigten zehn von ihnen die Wachablösung, versteckten die Leichen und entkamen im Schütze der Dämmerung ins freie Land. Erst beim nächsten Wachwechsel am frühen Morgen würde auffallen, daß ein Abschnitt der Stadtmauer unbewacht war. Bis dahin aber wollten die Deserteure längst über alle Berge sein.
    Doch während sie noch über die Felder hetzten, kam es zum Streit über das weitere Vorgehen. Kurz darauf fielen die ersten mit gezogenen Dolchen übereinander her, und was eine schlagkräftige Bande hätte werden können, verringerte sich selbst auf die kümmerliche Zahl von vier. Die Überlebenden ließen die Toten auf dem Acker zurück und eilten weiter.
    Wenig später schon nahmen die Unstimmigkeiten über den weiteren Weg neuerliche Überhand. Statt aber den Zwist mit Waffen zu entscheiden, verlegte man sich diesmal auf eine klügere Lösung. Die Gruppe trennte sich, und zwei der Männer zogen nach Süden.
    Die beiden anderen aber, Matthias und Adrian, wandten sich gen Osten. Sie kamen in ein verlassenes Dorf, dessen Bewohner schon vor Tagen in den zweifelhaften Schutz der Hauptstadt geflohen waren. Die Häuser und Hütten standen leer, der Wind heulte durch die offenen Fenster und Türen. Die Menschen hatten ihren Besitz nicht verriegelt, um den Zorn der Eroberer nicht zu wecken. So hofften sie, daß ihre Heime lediglich geplündert, nicht aber gebrandschatzt wurden.
    Ihre wertvollsten Besitztümer hatten sie allesamt mitgenommen, trotzdem wurden Matthias und Adrian in einigen Häusern fündig. Seit ihrer Flucht aus dem Ligaheer war noch keine halbe Nacht vergangen, und schon saßen sie inmitten reicher Beute. Freilich, Bauern besaßen keine Goldschätze, die meisten nicht einmal simples Geschmeide, und doch fand sich in den Hütten manch scharfe Waffe, hier ein silberner Krug, dort ein teurer Stoff. Genug, um es später gegen bare Münze zu tauschen. Zudem stießen sie auf ausreichende Nahrung, um tagelang davon leben zu können. Selbst ihre anfänglichen Bedenken, das Essen könne vergiftet sein, erwiesen sich als unbegründet.
    Matthias und Adrian saßen kauend auf den Stufen eines Hauses, als Michal sie entdeckte. Sie hatten vor der Treppe ein Lagerfeuer entzündet. Nun wärmten sie sich an seiner Glut, aßen gesalzenes Fleisch, Obst und Gemüse und tranken Bier aus dem Vorrat des Dorfvorstehers. Es war immer noch tiefste Nacht, Finsternis lag über der Dorfstraße, und so bemerkten sie Michal erst, als er in den Lichtkreis ihres Feuers trat.
    Seine Kleidung war zerfetzt, die Reste hatten sich dunkelbraun verfärbt. Dieselbe Kruste bedeckte auch seine Haut. Schmutz, nahmen die beiden Männer an. Wie hätten sie auch ahnen können, daß dies die Spuren von Michals letztem Mahl waren, eine Flüchtlingsfamilie, die er nur gegessen hatte, um den Weg nach Prag und mehr über die Lage dort zu erfahren. Sein Haar war steifverkrustet und stand wirr in alle Richtungen ab, die zertrümmerte Nase ein blutiger Krater. Am schlimmsten aber waren seine Augen und der Blick, der die beiden Männer daraus traf. Das irre Funkeln verfolgte sie, bis die Sichel ihnen das Leben nahm.
    Der Kampf war kurz und nahezu lautlos. Michal erlitt eine Hiebwunde am linken Oberarm, doch sie reichte nicht tief ins Fleisch. Er zerschnitt die beiden Männer gleich am Feuer, zog es aber vor, ihre Stücke roh zu essen. Er bezweifelte, daß gebratenes Fleisch dieselbe Wirkung hatte. Hätte

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