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Der Schattenesser

Der Schattenesser

Titel: Der Schattenesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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versucht, den Raum aufzuräumen und die Tiergebeine fortzuschaffen. Allein die Leiche Helena Koprikovas hatte man weggebracht, alles andere war unberührt. Sarai nahm an, die drei Alten wollten, daß sie sich kurz faßte; niemand, der alle Sinne beisammen hatte, würde sich in diesem stinkenden Loch länger als nötig aufhalten.
    Plötzlich stand Kaspar neben ihr, und die Tür wurde von außen verriegelt.
    »Du machst dir Sorgen, nicht wahr?« fragte er sanft.
    Sarai fuhr herum und zwang sich zu einem hoffnungsvollen Lächeln. »Und wenn schon. Haben sie dir gesagt, was sie entschieden haben?«
    Er nickte. Sarai bemerkte, daß sein buntes Gauklerkostüm völlig verschmutzt war. Seltsamerweise wurde ihr dabei erstmals bewußt, was sie ihm angetan hatte. Sie hatte ihm alles genommen. Erst seinen Frieden in der Kleineren Stadt, dann die Kanone, jetzt auch noch seine Kleidung. Sie spürte, daß sie den Tränen nahe war. Lieber Himmel, rief sie sich selbst zur Ruhe, es sind doch nur Kleider! Aber es waren immer nur die kleinen Dinge, die einem die großen Verluste vor Augen führten.
    Es war gleichgültig, daß sie ihn kaum kannte - siewollte nicht auch noch ihn selbst verlieren. Sie hätte sich niemals auf den Beschluß der drei Alten einlassen dürfen.
    »Es ist nicht schlimm«, sagte Kaspar, als hätte er die Sorgen in ihren Augen gelesen. »Ich bleibe hier und warte auf dich. Zumindest kann mir dieser Engel hier unten nichts anhaben.« Er gab sich Mühe, aufmunternd zu lächeln.
    Aber der Bote will gar nichts von dir, wollte Sarai ihn anbrüllen. Ich bin es, die er sucht, nur ich. Du hast mit all dem überhaupt nichts zu tun. Ich habe dich in diese Sache hineingezogen, ohne über die Folgen nachzudenken.
    Doch so sehr sie es sich auch wünschte, sie brachte keinen Ton heraus. Beschämt wandte sie den Blick von ihm ab und weinte.
    »Tu das nicht«, sagte er leise und berührte zaghaft ihre Schulter. Er wagte nicht, sie in den Arm zu nehmen.
    »Aber sie werden dich töten«, entgegnete sie schluchzend. »Das ist allein meine Schuld.«
    »Sie werden mich töten, wenn du nicht zurückkommst«, erwiderte er. »Aber du wirst zurückkommen. Ich weiß es.«
    Sie liebt ihn, hatte die Alte gesagt. Aber das war es nicht. Keine Liebe, aber Zuneigung - und ein Gefühl von tiefer, tiefer Schuld.
    Da beschloß sie, daß er alles wissen sollte. Er hatte ein Anrecht darauf, mehr als jeder andere. Er sollte erfahren, weshalb sie ihn dieser Gefahr aussetzte und für welchen Preis. Daß es nicht allein um ihr Leben oder das seine
    Und so sprudelten die Worte aus ihr hervor, immer schneller, ohne eine Auslassung, manches wirr und durcheinander, aber doch klar genug, daß er begriff. Sie ließ nichts aus, erzählte von ihrem Vater und dem mal'ak Jahve, von Cassius, vom Golem und von Leander Nadeltanz. Sie erklärte ihm, wer die Hühnerfrauen waren und welchen Traum sie verfolgten. Sie redete ohne Unterlaß, eine ganze Weile lang, ohne darauf zu achten, ob er ihr glaubte oder nicht.
    Nachdem sie zum Ende gekommen war, schwiegen sie beide. Sarai, weil sie nichts mehr zu sagen hatte, und Kaspar, weil er um die richtigen Worte rang.
    »Ich werde hier auf dich warten«, sagte er schließlich. »Du hast mich noch immer nicht fliegen sehen. Und du hast es versprochen.«
    Sarai lächelte und wischte sich mit dem Ärmel über die Wangen. »Ich war wohl zu beschäftigt.«
    Im selben Augenblick flog die Tür auf und zwei Hühnerweiber erschienen im Eingang. Sie mußten gelauscht haben, um den richtigen Moment so genau abzupassen.
    Draußen, vor der niedrigen Tür zu Helena Koprikovas Kammer, reichten Sarai und Kaspar sich zum Abschied die Hände. Sarai zögerte die Trennung länger hinaus, als nötig gewesen wäre, und schenkte ihm das wärmste Lächeln, zu dem sie noch fähig war. Dann brachte man ihn fort. Er schaute sich nicht nach ihr um.
    Kurz darauf wurde Sarai von einem halben Dutzend Hühnerweiber über schmale Treppen an die Oberfläche geführt. Die Nacht empfing sie kühl und windig. Die Frauen nahmen Sarai schützend in ihre Mitte, dann hetzten sie gemeinsam durch die menschenleeren Straßen.
    In den späten Abendstunden vor seiner Ankunft in Prag aß Michal zwei Männer der Liga. Ihre Schwerter gingen an seiner Mondsichel entzwei. Die Klinge teilte ihr Rüstzeug wie altes Leinen. Schließlich verspeiste er von jedem mehrere Handvoll. Danach wußte er alles über sie, ihre Namen, ihre Vergangenheit, ihre Wünsche und Begierden.
    Mit

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