Der Schattengaenger
nicht zu verstehen.
Inzwischen ging es ihm nicht mehr bloß darum, sie zurückzuholen und endgültig für sich zu gewinnen. Er wollte sie für immer gefügig machen. Mit dem Verlust ihrer Tochter würde sie einen Teil ihres Selbst verlieren.
Schweigend erledigte er die Handgriffe, die für seine Arbeit notwendig waren. Die Kollegen hatte er aus seinem Bewusstsein ausgeschaltet. Sie waren für seine Zukunft verzichtbar. Er brauchte sie nicht mehr.
Der Einzige, den er jetzt brauchte, war der Boss, und der wusste es nicht mal. Das heißt, genau genommen brauchte er nicht Alex selbst, sondern dessen Jacht. Die Jacht, die Alex vor einiger Zeit gekauft hatte, um der Welt zu imponieren. Vor allem jedoch einer bestimmten Frau, die mit einem Politiker verheiratet war und eigentlich alles besaß, was man besitzen konnte. Fasziniert hatte Manuel beobachtet, wie der kantige Alex, dessen Mangel an Manieren beinahe sprichwörtlich war, sich für diese Frau verwandelt hatte.
Zwar war er im Kern derselbe geblieben, aber er hatte gelernt, seine Worte zu wählen, die Lautstärke seiner Äußerungen zu drosseln, die Hemden zuzuknöpfen und nicht bis zum Bauchnabel offen stehen zu lassen, er hatte begonnen, Sakkos zu tragen, sich die Fingernägel rund zu feilen und die Kippen nicht im Mundwinkel verglühen zu lassen. Und dann hatte er die Jacht gekauft. Obwohl er sich auf dem Wasser überhaupt nicht wohlfühlte und nichts gemein hatte mit den Leuten, deren Jachten am Wackertsee neben seiner lagen. Ein Boot, groß genug für sechs Personen, ein Fingerhut im Vergleich zu den Luxusfregatten der High Snobiety, aber schnittig und elegant. Hai hatte Alex sie getauft, ein ziemlich ungewöhnlicher Name unter all den La Palomas, Seekatzen und Mon Amours.
Die Schwärmerei für die Politikergattin hatte sich schnell verflüchtigt, Alex hatte sein vornehmes Gehabe wieder abgelegt und das Interesse am Hai verloren. Und wie alles, was ihm lästig geworden war, hatte er auch die Verantwortung dafür weitergegeben an Manuel.
Manuel hatte angefangen, sich damit zu befassen. Er hatte seinen Bootsführerschein gemacht, sich um die Wartung gekümmert und war ab und zu für eine Stunde oder zwei hinausgeschippert. Jetzt kamen ihm seine Kenntnisse zugute. Der Hai würde das Täubchen schon schlucken.
Alles im Leben hatte seinen Sinn, letztlich sogar die Irrungen und Wirrungen eines hormongesteuerten Alex. Manuel grinste von einem Ohr zum andern. Endlich sah die Zukunft wieder rosig aus.
Bert hatte keine Möglichkeit, jemanden abzustellen, um Jettes Sicherheit zu garantieren. Auch Imke Thalheims Prominenz änderte daran nichts. Doch das konnte er ihr schlecht sagen. Ebenso wenig konnte er sie darauf hinweisen, dass dann eigentlich auch Merle und Tilo Baumgart Personenschutz nötig hätten.
»Es tut mir leid«, wiederholte er.
»Wenn ich das richtig verstehe«, antwortete Imke Thalheim bissig, »kann die Polizei nicht aktiv werden, bevor meiner Tochter etwas zugestoßen ist. Was erwarten Sie von mir? Dass ich einen Bodyguard engagiere?«
Zum ersten Mal ärgerte er sich über sie. Schrieb sie nicht einen Krimi nach dem anderen? Hatte sie nicht recherchiert? Kannte sie die Regeln nicht? Er nahm ihr auch ihren Sarkasmus übel. Was dachte sie sich dabei? Sie konnte doch unmöglich ihn zum Sündenbock für die gesamte Polizei machen.
»Entschuldigung«, sagte sie da zerknirscht. »Es ist nur …«
Sofort stieg wieder diese verwirrende Zärtlichkeit in ihm auf, und er presste den Hörer ans Ohr und wünschte sich, bei ihr zu sein, um ihr jeden Zweifel und alle Angst zu nehmen. »Die meisten Stalker belassen es bei martialischen Drohgebärden«, versuchte er, sie zu beschwichtigen.
»Und Frau Bergerhausen?«
»Noch ist unklar, ob es Mord oder Totschlag war. Ich glaube nicht, dass der Täter ihren Tod geplant hat.«
»Haben Sie das auch ihrem Mann und ihren Töchtern erzählt?«
Er beschloss, auf diese Bemerkung nicht einzugehen. »Die Menschen aus Ihrem Umfeld sind sensibilisiert«, sagte er. »Ich stehe mit Jette, Merle und Herrn Baumgart in ständigem Kontakt. Jeder von ihnen kann mich jederzeit erreichen. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Es ist jetzt einzig und allein wichtig, dass Sie nicht die Nerven verlieren, denn damit würden Sie dem Täter in die Hände spielen.«
»Aber Sie benachrichtigen mich, sobald irgendeine Ver…«
»Das wissen Sie doch.«
Nach dem Gespräch stürzte er sich in die Arbeit, um nicht darüber
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