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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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nachzudenken, ob sie ihm jemals verzeihen würde, dass er sie über das Ausmaß der Gefahr belogen hatte.
     

Kapitel 24
    Merle und ich hatten meinen armen Renault auf den Schrottplatz gefahren und unter Tränen von ihm Abschied genommen. Dann hatten wir uns schnell umgedreht und das trostlose Gelände verlassen. Wir waren beide niedergeschlagen und legten den Heimweg stumm zurück.
    Als wir zu Hause ankamen, läutete mein Handy. Wieder meldete sich niemand. Das ging nun schon eine ganze Weile so.
    »Hallo?«
    Ich hörte seinen Atem. Ich hätte nicht sagen können, woher ich wusste, dass es der Atem des Typen war, der meine Mutter tyrannisierte. Ich wusste es einfach.
    Meine dummen Hände zitterten.
    Bevor ich reagieren konnte, hatte Merle mir das Handy abgenommen. »Uns jagst du keine Angst ein, du Arschloch«, sagte sie scharf. »Du kannst einem wirklich leidtun mit deinem verkorksten Hirn.« Sie drückte das Gespräch weg und legte das Handy auf den Tisch.
    »Damit machst du ihn wütend.« Ich verschränkte die Hände, um das Zittern vor Merle zu verbergen.
    »Das ist er doch schon. Aber ich lass trotzdem nicht zu, dass dieser Perverse sich an unserer Angst berauscht.«
    Sie verließ die Küche und ging in den Innenhof hinaus, den sie mit Hingabe umgestaltete. Er sah mit seinen Rosensträuchern und Lavendelbüschen, den Tonschalen und Pflanzenkrügen aus, als wäre er auf direktem Weg von Südfrankreich aus hierher gebeamt worden.
    Mit dem Frühling war die Wärme gekommen, die sich leuchtend in den alten Mauern fing. Donna und Julchen jagten begeistert einer Hummel hinterher. Smoky hatte es sich auf dem Rand des Brunnens bequem gemacht und beobachtete sie schläfrig.
    Selbst wenn Merle so tat, als ließe der Telefonterror sie kalt - die ständigen Anrufe zermürbten auch sie allmählich. Jedes Mal wenn mein Handy oder unser Festnetztelefon klingelte, zuckten wir unwillkürlich zusammen.
    Manchmal schwieg er und ich hörte seinen Atem. Manchmal lachte er leise. Manchmal sagte er ein paar Worte, und ich konnte deutlich hören, dass er die Stimme verstellte. Wenn Merle sich meldete, legte er wieder auf. Er hatte es auf mich abgesehen, nicht auf sie.
    Seine Anrufe kamen am Tag und in der Nacht. Sie störten mich beim Duschen, beim Autofahren und bei der Arbeit im  St. Marien. Er war allgegenwärtig.
    Seine Worte waren sinnlos und wirr. Als hätte er die Sätze auseinandergenommen und die Worte nach dem Zufallsprinzip wieder zusammengewürfelt.
    Luke hatte mir einmal erzählt, dass er Gedichte schrieb. Dass er dabei assoziativ die Worte aneinanderreihte …
    »Mach dich nicht lächerlich«, hatte Merle mich ausgeschimpft. »Es ist nicht Luke. Der würde so was niemals tun.«
    Ich beneidete sie um ihre Gewissheit.
    »Lass uns den Kommissar einschalten«, hatte Merle gedrängt. »Er sollte von den Anrufen wissen. Auch wenn er sie garantiert nicht zurückverfolgen kann. Dieser Kerl ist nicht blöd. Ich wette, der wechselt die Handys wie andere ihre Socken.«
    Bislang hatte ich mich dagegen gesträubt. Ich wollte nicht erfahren, dass meine Zweifel berechtigt waren, dass Luke womöglich tatsächlich hinter all dem steckte.
    Das Telefon läutete. Teilnehmer unbekannt. Wie jedes Mal. Wir konnten doch nicht nur noch Gespräche von Leuten annehmen, deren Nummer wir gespeichert hatten. Ich meldete mich.
    »Angst?«, flüsterte er.
    Ich drückte das Gespräch weg und begegnete Merles fragendem Blick. Sie konnte sich so tough geben, wie sie wollte - in ihren Augen las ich das Gegenteil.
     
    Es bereitete ihm eine tiefe Befriedigung, ihre Furcht zu spüren. Er mochte diese Jette nicht. Sie stahl ihm Imkes Liebe.
    Anscheinend hatte sie ihrer Mutter noch nichts von seinen Anrufen erzählt, sonst wäre sie doch bestimmt längst herbeigeeilt, um die Tochter unter ihre Fittiche zu nehmen. Er musste sich eingestehen, dass er eifersüchtig war.
    Aber war Eifersucht nicht Teil der Liebe?
    Er hätte leichteres Spiel gehabt, wenn diese Merle ihm nicht ständig dazwischengefunkt hätte. Mit ihrer flapsigen, frechen, unverschämten Art stellte sie sich zwischen Jette und die Angst und ließ seine Einschüchterungsversuche an sich abtropfen.
    »Pass auf«, murmelte er. »Sonst bist du dran.«
    Er nutzte die Mittagspause, um eine Einkaufsliste zu machen. Er war kalt und konzentriert. Imke hatte es nicht anders gewollt.
     
    Imke packte, um erneut ihr Quartier zu wechseln. Allmählich wurde sie des Versteckspiels müde. Wie eine Klette klebte

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