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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Menschenseele zu sein.
    Meine einzige Waffe waren meine Gedanken. Sie konnten mich vor der Panik schützen und mich überleben lassen. Vielleicht.
     
    Merle hatte einer Mitarbeiterin Bescheid gesagt und sich sofort auf den Weg gemacht. Zu Hause angekommen, hatte sie in jedem Zimmer nachgeschaut und bei den Nachbarn nach Jette gefragt.
    Niemand hatte sie gesehen.
    Merle hatte herumtelefoniert. Ohne Erfolg. Als Erstes hatte sie es bei Luke versucht, doch sie hatte ihn weder auf seinem Handy noch im Maklerbüro erreicht. Danach hatte sie sämtliche Freunde und Bekannte angerufen. Schließlich fehlten bloß noch Jettes Vater und Jettes Großmutter auf ihrer Liste. Bei Herrn Weingärtner hatte sich niemand gemeldet, auch der Anrufbeantworter nicht, und Jettes Großmutter war vor drei Wochen mit ihrer Yogagruppe zu einer längeren Bildungsreise  nach Italien aufgebrochen. Jetzt saß Merle im Hof und überlegte verzweifelt, was sie als Nächstes tun könnte.
    Sie hatte jedes Angebot abgelehnt, ihr bei der Suche nach Jette zu helfen. Weil es keinen Sinn hatte zu suchen. Jette konnte überall sein. Um sie zu finden, musste die Polizei den Stalker finden. Merle war sich sicher, dass er Jette in seiner Gewalt hatte. Die Vorkehrungen, die der Kommissar getroffen hatte, waren umsonst gewesen. Der Kerl war zu gerissen für die Polizei.
    Smoky, der ein feines Gespür für ihre Stimmungen hatte, legte sich zu ihren Füßen nieder und begann, laut zu schnurren.
    »Ich dich auch«, sagte Merle leise.
    Die Angst und die Aufregung rumorten in ihr und ihr war speiübel. Sie hasste es, zur Untätigkeit verdammt zu sein. Was würde dieser Typ Jette antun, abgedreht, wie er war?
    »Shit«, flüsterte Merle. »Shit, Shit, Shit.«
    Ihr Handy klingelte. Merle schaute auf das Display. Imke Thalheim. Sie rief von ihrem Festnetzanschluss an. Das bedeutete, dass sie wieder zu Hause war!
    »Merle«, sagte Imke Thalheim. »Wo ist Jette?«
     
    Die Heimleiterin empfing Bert in ihrem Büro. Sie kam ihm mit ausgestreckter Hand entgegen.
    »Bringen Sie gute Nachrichten?« Sie blieb vor ihm stehen und sah ihm forschend ins Gesicht. »Nein. Sagen Sie mir nicht, dass Jette verschwunden ist.«
    Seit ihrem letzten Zusammentreffen, das nun schon eine Weile her war, hatte Frau Stein sich nicht verändert. Sie schien aus lauter Widersprüchen zu bestehen, war forsch und sensibel, zupackend und behutsam, polternd und sanft.
    »Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen?«, fragte Bert.
    »Ich war gar nicht im Haus«, erklärte sie. »Jette hat mit einer Mitarbeiterin gesprochen. Soll ich sie rufen lassen?«
    Bert nickte und Frau Stein führte ein kurzes Telefonat. Zwei Minuten später schüttelte Bert die kalte, schlaffe Hand einer etwa fünfzigjährigen Frau, die schüchtern seinem Blick auswich.
    »Haben Sie etwas Ungewöhnliches an Jette bemerkt?«, fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf, verschränkte die Finger ineinander und bog sie durch, dass es knackte.
    »Was hat sie denn genau zu Ihnen gesagt?« Bert lächelte sie aufmunternd an, dabei zerriss es ihn fast vor Ungeduld.
    »Dass sie wegmuss und die Mittagspause vorziehen will und dass sie versucht, pünktlich zu sein.« Ihr Blick kroch zu ihrer Chefin, schuldbewusst und voller Angst. »Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht hab.«
    »Hat Jette sich irgendwie anders angehört als sonst?«
    Die Frau hob die Schultern. Wieder bettelte ihr Blick um Vergebung. »Ich hab nicht drauf geachtet. Es war so viel zu tun. Der Professor lief im Haus rum und hat sich aufgeregt, und ich wollte hin und ihn beruhigen.«
    »Der Professor?«
    »Einer unserer Bewohner«, erklärte Frau Stein. »Er ist manchmal etwas … schwierig. Jette kommt übrigens blendend mit ihm zurecht. Sie dringt sogar dann zu ihm durch, wenn er depressiv ist. Sie haben eine gemeinsame Wellenlänge. Das ist sehr selten und sehr kostbar.«
    Bert entließ die zitternde Frau und bat Frau Stein, ihn zu dem Professor zu führen.
    »Kommen Sie«, sagte sie und ging voran durch das Labyrinth der Flure, auf denen sich heute keiner der Bewohner blicken ließ.
    Als wäre das St. Marien in einen Dornröschenschlaf versunken. Nur dass hier kein Prinz mehr vorbeikommt, um irgendwen wachzuküssen, dachte Bert.
    Er ärgerte sich über seinen schnoddrigen Zynismus. Seine Anspannung wuchs und wuchs.
     
    Und kein Wort zu den Bullen.
    Merle hatte die Stimme noch im Ohr, zu hoch, zu schrill, ganz eindeutig verstellt. Wie in diesem grauenvollen Film, den sie sich einmal auf

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