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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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war heute Morgen zum Dienst gefahren, wie sie das jeden Morgen tat, und das bereits seit fast einem Jahr. Wo sonst sollte sie sein?
    »Können Sie mir sagen, wie ich sie erreichen kann?«
    »Sie …« Merles Stimme bröckelte. Sie machte einen zweiten Anlauf. »Wieso … ich verstehe nicht …«
    »Ihre Freundin hat pünktlich im St. Marien angerufen, um einer Mitarbeiterin mitzuteilen, dass sie ihre Mittagspause vorziehen wollte.«
    Mittagspause. Vorziehen. Merles Kopf war wie mit Watte gefüllt. Die Informationen mussten sich durch dicke Schichten kämpfen, um das Gehirn zu erreichen.
    »Und dann?«, fragte sie.
    »Sie ist nicht erschienen.«
    Nicht erschienen. Worte. Merle hatte kein Gefühl dafür. Die Watte breitete sich jetzt in ihrem ganzen Körper aus. Ihre Finger waren taub. Sie konnte sie nicht bewegen. Sie konnte sich  überhaupt nicht bewegen. Sie saß da wie eine Schaufensterpuppe.
    »Das kann nicht sein«, sagte sie.
    Sogar das Sprechen war mühsam. Als hätte ihre Zunge von einem Moment zum andern ihre Größe verdoppelt. Schwerfällig und fremd lag sie in Merles Mund.
    »Merle? Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
    Er war ein netter Typ, ganz anders als die Bullen, die sie sonst so kannte. »Sie kann doch nicht … Es war doch nicht … Sie hat mir nichts gesagt.«
    »Hören Sie, Merle …« Seine Stimme verfing sich in der Watte in Merles Kopf. »Wahrscheinlich … Missverständnis … werde … wenn Sie … und bloß nicht … versprechen … erwarte … unter keinen Umständen …«
    Einmal in ihrem Leben war Merle betrunken gewesen. Da hatten die Leute genauso geredet. Ihre Worte hatten wie kleine Luftballons an der Decke geschwebt. Merle hatte sie einfangen wollen und war dabei der Länge nach hingeschlagen. Einmal. Ein einziges Mal. Sie hatte es nie wieder so weit kommen lassen.
    Jetzt war sie genauso hilflos. Der Kommissar hatte aufgelegt. Merle hielt den Hörer immer noch in der Hand.
    Ihre Gedanken zappelten in der Watte. Merle erhob sich und ging zur Toilette. Sie beugte sich übers Waschbecken und trank kaltes Wasser aus dem Kran. Es rann ihr übers Kinn und versickerte in ihrem T-Shirt.
    Ein Scheißgefühl, dachte Merle, aber sie trank weiter. Danach schaute sie in den Spiegel. Auf ihrem T-Shirt war ein großer dunkler Fleck.
    »Warum hast du nicht auf sie aufgepasst?«
    Das Spiegelbild gab keine Antwort. Groß und schreckensrund starrten die Augen Merle an.
    »Du hättest es doch wissen müssen!«
    Der Wasserhahn tropfte. Das Klo stank nach Urinstein. Totgeschlagene Mücken klebten an der fleckigen Wand. Die Deckenlampe gab ein knisterndes, ungesundes Geräusch von sich. Das gedämpfte Hundegebell draußen kündigte einen Besucher an.
    Merles Augen brannten. Sie nahm sich vor, nicht zu weinen.
     
    Bert konnte es nicht länger aufschieben. Als Nächstes würde er Imke Thalheim anrufen müssen. Es gab noch die Hoffnung, dass Jette einfach blaugemacht hatte und irgendwann quietschfidel wieder auftauchen würde, aber groß war sie nicht. Ein solches Verhalten passte einfach nicht zu dem Mädchen, das er als ernsthaft und zuverlässig kennengelernt hatte.
    »Zu einem Tausch bereit«, murmelte er. »Dieser Dreckskerl!«
    Du hast getan, was du konntest.
    Hatte er das? Getan, was er konnte? Was hatte es genützt, nachts einen Polizisten vor dem Haus der Mädchen zu postieren, wenn der Täter am frühen Morgen ganz woanders zuschlug?
    Hör auf, dich selbst zu bemitleiden.
    Da hatte seine innere Stimme endlich einmal recht. Entschlossen griff Bert nach Jacke und Handy und stürmte aus dem Büro. Auf dem Weg zum St. Marien würde er bei der alten Mühle vorbeifahren. Vielleicht hatte er Glück und traf Imke Thalheim zu Hause an. Solche Dinge besprach man besser persönlich und nicht am Telefon.
     
    Manuel hatte sich um das Auto des Mädchens gekümmert. Er hatte es in einer nahe gelegenen Stadt abgestellt, in einem  Viertel, in dem eine Menge ausgeflippter Typen wohnte. Da achtete keiner auf keinen und der Peugeot würde nicht weiter auffallen. Manuel würde die Angelegenheit in Ruhe zu Ende bringen. Danach sollten sie den Wagen ruhig finden, dann wären sie längst über alle Berge, Imke und er.
    Er hatte sich einen Leihwagen besorgt, einen schlichten schwarzen Golf, und war zur Yacht zurückgefahren. Er wünschte, er hätte das alles schon hinter sich. Allmählich meldeten sich nämlich Bedenken, die ihn verwirrten.
    Würde Imke ihm die Entführung ihrer Tochter wirklich verzeihen?
    Mit den

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