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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Zweifeln waren die Kopfschmerzen gekommen, die ihm von innen den Schädel zu zerquetschen schienen. Er kannte das. Fast immer war Stress der auslösende Faktor. Er hoffte inständig, dass sich die Schmerzen nicht zu einer handfesten Migräne auswachsen würden. Er hatte nicht die Zeit und nicht die Möglichkeit, sich für ein paar Stunden in einen abgedunkelten Raum zu legen, um sie auszukurieren.
    Er stieg aus dem Wagen und ging langsam auf den Steg zu. Die Sonne schien. Das Unwetter war bloß noch Erinnerung. Auch die Geschichte mit dem Mädchen wäre bald nur noch eine Erinnerung. Er durfte nicht aufhören, daran zu glauben.
     
    Imke sah den Wagen des Kommissars die Auffahrt heraufkommen und wusste, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste. Die Knie wurden ihr weich und sie stützte sich an der Wand ab. Mühsam schleppte sie sich zur Tür.
    Der Kommissar trat lächelnd auf sie zu, demonstrierte Zuversicht. Er war ein schlechter Lügner.
    »Was ist passiert?« Ihre Stimme klang lächerlich hoch. Sie erkannte sie kaum.
    »Hat Herr Baumgart noch nicht mit Ihnen gesprochen?«
    Sie schüttelte den Kopf, wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
    »Ich versuche, Ihre Tochter zu erreichen …«
    »Jette? Sie ist um diese Zeit im St. Marien.«
    Er blickte auf seine Füße. Wie ein kleiner Junge, dachte sie. Ein Junge mit einem schlechten Gewissen. Langsam hob er den Kopf.
    »Sie hat dort angerufen, um zu sagen, dass sie später kommen wollte. Seitdem ist sie … verschwunden.«
    »Verschwunden?« Ein sonderbares Wort. Es gelang ihr nicht, es mit Jette in Verbindung zu bringen. »Wohin?«
    Der Kommissar legte eine Hand auf ihren Arm.
    Fass mich nicht an!, dachte sie. Komm mir nicht zu nah! Sie wusste, wie sie seine Geste einzuschätzen hatte - er konnte ihre Frage nicht beantworten.
    »Vielleicht war ihr nicht gut«, sagte sie tonlos und zog den Arm weg. »Vielleicht ist sie nach Hause gefahren und hat sich hingelegt.«
    »Ich habe mehrmals versucht, sie anzurufen.«
    »Vielleicht geht sie nicht ans Telefon.«
    In diesem Moment schoss schlingernd Tilos Wagen heran. Das Heck brach aus, als er im spritzenden Kies zum Stehen kam.
    Die Stille, die darauf folgte, wurde vom Gurren einer Taube unterbrochen.
    Imke horchte. Sie fühlte sich leer und matt und wund.
    »Was geht hier vor?«, fragte sie und wich Tilos Umarmung aus.
     

Kapitel 28
    Bevor Manuel von Bord gegangen war, hatte er mir wieder den Knebel in den Mund gestopft. Er hatte kein Wort geredet. Von der Tür aus hatte er mir noch einen prüfenden Blick zugeworfen, dann war er verschwunden.
    Nach drei oder vier heftigen Würgeattacken hatte ich mich allmählich mit dem Knebel arrangiert. Ich durfte nur nicht an ihn denken und musste bewusst durch die Nase atmen. Das war schwieriger, als ich gedacht hätte.
    Manuel war jetzt schon eine ganze Weile weg und ich war allein mit den Geräuschen um mich herum. Das Wasser klatschte leise gegen die Bootswände. Holz knarrte. Möwen schrien. Ich hockte auf der Bank, die Füße angezogen, die Hände auf dem Rücken. Die Fesseln schnürten mir das Blut ab, und meine Hände, die zuerst gekribbelt hatten, fühlten sich nun taub an und aufgedunsen. Es fiel mir schwer, die Tränen zurückzuhalten, aber durch das Weinen würden meine Nasenschleimhäute anschwellen, und wenn ich durch die Nase keine Luft mehr bekäme, würde ich ersticken.
    Die Panik, die mich bei diesem Gedanken überfiel, trieb mir erst recht die Tränen in die Augen. Ich riss sie auf und ließ zum hundertsten Mal den Blick durch mein Gefängnis wandern, um mich abzulenken.
    Die beiden kleinen Bullaugen waren von winzigen Rollos verhängt. Wie in einem Puppenhaus. Und ich war die Puppe, die man zwischen all die putzigen Möbelchen gesetzt hatte.
    Nicht heulen.
    An den Rändern der Bullaugen drang in schmalen Streifen leuchtendes Sonnenlicht herein, das ich gierig aufsog. Gutes Wetter war meine einzige Hoffnung. Je mehr Betrieb hier am See wäre, desto sicherer wäre ich. Manuel würde mir nichts antun können, wenn er damit rechnen musste, von allen Seiten beobachtet zu werden.
    Weiter so. Gib nicht auf.
    Gefesselt und geknebelt konnte ich nicht viel ausrichten. Ich konnte nicht fliehen und ich konnte nicht schreien. Ich konnte höchstens versuchen, mit den Füßen gegen die Wand zu treten, um auf mich aufmerksam zu machen, doch das würde mir den Rest meiner Kraft rauben und wäre wahrscheinlich völlig umsonst, denn da draußen schien noch immer keine

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