Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
Vom Netzwerk:
Autowerkstatt gefahren war, die er üblicherweise aufsuchte. Er war dem Berufsverkehr ausgewichen und dabei zufällig in irgendeiner Werkstatt unterwegs gelandet. Imke notierte sich die Adresse, zog die dicke Jacke an, schnappte sich ihre Handtasche und ging zur Scheune hinüber.
    Wie dunkel es war. Die Luft roch nach Winter und Rauch. Ein Vogel piepste einsam und verfroren irgendwo auf dem  Dach. Dabei war der Frühling doch schon greifbar nah gewesen.
    Imke betrat die Scheune und hielt unwillkürlich den Atem an. Ihr Blick suchte blitzschnell die Stellen ab, die der Lichtkreis der Außenlampe aus dem Dunkel hervorhob.
    Nichts Beunruhigendes.
    Trotzdem beeilte Imke sich mit dem Einsteigen und verriegelte die Türen, bevor sie den Zündschlüssel im Schloss drehte. Erst als der Motor ansprang, stieß sie den Atem wieder aus.
    Doch nicht einmal im Auto fühlte sie sich sicher. Sie war froh, als sie auf die Landstraße kam und anderen Fahrzeugen begegnete. Während des Fahrens programmierte sie das Navigationsgerät, ein Leichtsinn, der schon so manchen das Leben gekostet hatte, aber um nichts auf der Welt hätte sie jetzt am Straßenrand angehalten, um das zu erledigen.
    Tilo war wirklich am Ende der Welt gestrandet. Kaum Häuser, schlechte Straßen, karge Beleuchtung. Nur die Werkstatt selbst war mit einer Außenlampe versehen, die grelles, weithin sichtbares Licht auf den Hof warf.
    Auto Biegler, las Imke auf dem Schild über dem mächtigen Werkstatttor. Im ersten Stock befand sich hinter dunklen Fensterscheiben offenbar eine private Wohnung, denn das hell erleuchtete Büro war in einem kleinen Anbau untergebracht. In einem der beiden Fenster sah Imke die Silhouetten zweier Männer, die sich in einem Gespräch zu befinden schienen. Sie stellte den Wagen ab und stieg aus.
    Vorsichtig umkreiste sie mehrere Pfützen, in denen das Wasser zu Eis erstarrt war. Das Licht der Außenlampe war heftig und brutal und blendete sie, obwohl sie nicht hinsah. Imke war hungrig und müde und ihr war lausig kalt.
    Insgeheim erwartete sie, im nächsten Moment einem muskulösen, angriffslustigen Rottweiler gegenüberzustehen, und war auf der Hut. Dieses Grundstück, umgeben von einer hohen weißen Mauer, war der ideale Ort für einen Kettenhund, der gegen Abend losgelassen wurde, um auf dem Gelände für Ruhe zu sorgen.
    Als sie an der Tür angelangt war, erkannte Imke Tilos Stimme. Erleichtert griff sie nach der Klinke und drückte sie herunter. Sie betrat eine kleine, quadratische Diele und hatte die Wahl zwischen zwei weiteren Türen - und das Gefühl, einen Traum ein zweites Mal zu träumen.
    Wieder hörte sie Tilos Stimme. Ein schwacher Parfümduft hing in der Luft. Imke klopfte an die Tür, hinter der sie Tilo sprechen gehört hatte, und machte sie auf.
    Das Büro war lieblos eingerichtet und erinnerte Imke an ihre erste Studentenbude. Der Raum war vollgepfropft mit abgewohnten, düsteren Möbelstücken. Der Teppichboden, der eine undefinierbare Farbe hatte, irgendeine Nuance zwischen Braun, Grün und Grau, war übersät mit Flecken verdächtigster Herkunft. Das ungepflegte, stumpfe Holz der beiden Schreibtische war verunziert von Dellen, Kratzern und schwarzen Brandlöchern.
    Der Mann, der bei Tilo stand, passte nicht in diese Umgebung. Er trug zwar den typischen dunkelblauen Arbeitsanzug, starr vor Schmutz, und seine Hände, mit denen er sich auf einem der Schreibtische abstützte, waren ölverschmiert, aber er hatte etwas an sich, das diesem armseligen Durcheinander hier zu widersprechen schien.
    Er war groß und schlank, mit breiten, kräftigen Schultern. Sein Gesicht war schmal und beherrscht. Ein Dreitagebart bedeckte Kinn und Wangen. Das dunkle, etwa schulterlange Haar hatte er im Nacken gebunden. Imke hätte ihn eher für einen Taekwondo-Meister gehalten als für einen Autoschlosser.
    Tilo kam auf sie zu und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Meine Frau«, stellte er sie vor. Er tat das manchmal, wenn ihm lange Erklärungen zu umständlich waren.
    »Hallo«, sagte Imke.
    »Hi.« Der Mann hatte sich aufgerichtet und begrüßte Imke mit einem knappen Neigen des Kopfs. Er erwiderte ihr Lächeln nicht. Seine Augen waren dunkel, fast schwarz, und schienen aus sich heraus zu glühen. Er erinnerte Imke an den jungen Omar Sharif in Doktor Schiwago.
    Plötzlich lag eine drückende Stille im Raum. Auch Tilo schien sich ihrer bewusst zu sein. Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und murmelte etwas Unverständliches.
    Imke

Weitere Kostenlose Bücher