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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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ihm schwer, das tägliche Angebundensein. Wie sollte er Imke Thalheim finden, wenn er von früh bis spät in der Werkstatt hockte? Durch den Tod der Putzfrau war er  außerdem in eine heikle Lage geraten. Er hatte so vieles zu bedenken, so vieles zu verbergen. Von einem Moment zum andern war seine Welt aus den Fugen geraten, und das nur, weil Imke Thalheim sich seinen Wünschen widersetzte.
    Wütend schlug er mit der Faust gegen die Tür des BMW, an dem er gerade arbeitete. Eine deutliche Delle blieb zurück. Auch das noch.
    In der Mittagspause lief er ein Stück auf die Felder hinaus, angeblich um Kopfschmerzen loszuwerden. In Wirklichkeit musste er Dampf ablassen. Er hatte das Bedürfnis zu schreien, doch das wagte er nicht. Als er weit genug von der Werkstatt und den letzten Häusern entfernt war, hob er einen dicken Stock vom Wegrand auf und drosch damit auf den schiefen Stamm eines Vogelbeerbaums ein, bis der Stock mit einem Krachen zersplitterte.
     
    Bert hatte sich zum Mittagessen mit Isa in der Kantine verabredet. Lieber wäre er mit ihr zu Marcello gegangen, doch dafür reichte die Zeit nicht aus.
    »Keine Fingerabdrücke also«, sagte sie und stocherte nachdenklich in ihrem Salat.
    Isa war nicht auf die übliche Weise schön, dafür stimmten zu viele Kleinigkeiten nicht - ihre Schneidezähne standen schief (was Bert sehr an ihr gefiel), ihre Nase war eine Spur zu breit und ihr Kinn zu markant geraten. Ihre Schönheit war keine von der oberflächlichen Sorte. Isa strahlte von innen heraus. Ein Blick in ihre Augen, und man vergaß sie nie mehr.
    »Nicht mal einen halben.« Bert säbelte an einer mächtigen Kohlroulade herum, die ihm nicht schmeckte, und verfluchte sich dafür, nicht etwas anderes gewählt zu haben. »Der Kerl scheint mit allen Wassern gewaschen zu sein.«
    »Vor allem seine Fingerkuppen.« Isa lachte.
    Ihre Fröhlichkeit tat Bert gut. Seine eigene kam ihm immer mehr abhanden. »Aber er hat wieder auf sich aufmerksam gemacht. Er hat Tilo Baumgart eine Botschaft hinterlassen.«
    Isa hörte auf zu kauen und sah Bert abwartend an.
    »Ein einziger, knallroter, theatralischer Satz. Sie gehört mir.  Nur das. Mit fettem Ausrufezeichen und das letzte Wort in Großbuchstaben.«
    Isa schluckte den Bissen herunter und spülte mit Wasser nach. Dann saß sie eine Weile still da und spielte mit der Gabel in ihrer Hand. Eine ziemlich lange Weile.
    »Hallo?« Bert wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum. »Bist du noch da?«
    Sie hielt seine Hand fest und drückte sie. »Er meint, was er sagt, Bert. Nehmt das unbedingt ernst. Es ist eine Vorankündigung.«
    »Wovon?«
    »Das fragst du noch?«
    Bert schüttelte den Kopf. Nein. Er brauchte nicht zu fragen. Es war vollkommen klar. Vielleicht schmeckte ihm deswegen das Essen nicht. In den Augen des Schattengängers waren die bisherigen Spiele bloßes Geplänkel gewesen. Jetzt würde er Ernst machen und dazu war ihm jedes Mittel recht.
     
    Das Mittagsgeschirr war abgeräumt und ich wischte die Tische ab, um alles für die nächste Mahlzeit vorzubereiten. Die Heimbewohner hingen an ihren Gewohnheiten, aber die meisten von ihnen waren nicht mehr in der Lage, sie in einen zeitlichen Rahmen einzuordnen. Einige kamen alle zehn Minuten, um zu fragen, ob es schon Kaffee und Kuchen gebe.
    »Jetzt noch nicht«, antwortete ich jedes Mal. »Es dauert noch ein bisschen.« Ich sah auf meine Armbanduhr und sagte ihnen genau, wie lange sie noch warten mussten.
    Ich hatte viel gelernt, seit ich im St. Marien arbeitete. So zum Beispiel, dass man höllisch aufpassen muss, nicht mechanisch zu reagieren. Demenzkranke fragen hundertmal am Tag dasselbe, und immer sollte man ihnen antworten, als wäre es das erste Mal. Sie haben bei aller Unordnung in ihren Gedanken ein äußerst feines Gespür dafür, ob man ihre Fragen ernst nimmt oder sie mit Floskeln abspeist.
    »Behandle sie so, wie du selbst behandelt werden möchtest, wenn du später mal verwirrt und ängstlich in deinem Bett sitzt und nicht mehr weißt, wo du bist«, hatte Frau Stein mir ganz zu Anfang eingeschärft.
    Allein die Vorstellung, eine Fremde im eigenen Körper zu sein, machte mich fertig, und ich gab mir alle Mühe, im Umgang mit den Heimbewohnern so wenig Fehler wie möglich zu machen.
    Für den Abend war ich mit Luke verabredet, aber ich konnte mich nicht darauf freuen. Wir kannten uns jetzt schon fast zwei Monate, doch er war mir weniger vertraut als die meisten Bewohner des St. Marien.
    Luke gab nichts

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