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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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nur die Oberfläche der Dinge wahr, sondern besaß nach langen Jahren der Ermittlungsarbeit auch die Fähigkeit darunterzublicken. In jedem der Wagen konnte der Stalker sitzen, der inzwischen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch ein Mörder war und eine tödliche Bedrohung nicht nur für Imke Thalheim.
    Die Fahrt war ermüdend, obwohl Bert lange auf der Autobahn bleiben konnte. Immer wieder wurde er von Lastwagen  ausgebremst, die mit ihren endlosen Überholmanövern die linke Spur blockierten. Er fluchte und gähnte abwechselnd. Nur die Aussicht auf das Abendessen mit Imke Thalheim hielt ihn aufrecht.
    »Ich fühle mich wie in einem Zeugenschutzprogramm«, hatte sie ihm verraten. »Es ist entsetzlich, sich niemandem anvertrauen zu dürfen und keinen Kontakt zu den Menschen zu haben, die man liebt. Wie lange wird das noch dauern?«
    Bert wusste es nicht und das hatte er ihr auch ehrlich gesagt.
    »Wenigstens reden Sie nicht darum herum.«
    Bert war nie ein Freund vieler Worte gewesen. Margot warf ihm seinen Hang zur Schweigsamkeit oft vor. Sie ertrug es nicht, längere Zeit mit jemandem in einem Raum zu sein, ohne zu reden.
    So viele überflüssige Worte.
    Irgendwann, dachte Bert, werde ich vollends verstummen. Ich werde mich in meinem Schweigen einrichten und niemanden einlassen, den ich nicht will.
    Die letzte Strecke führte quer über hügeliges Land. Die Ortschaften wirkten streng und wenig einladend, aber das bildete er sich wahrscheinlich bloß ein. Leichter Regen fiel. Schwarzweiß gefleckte Kühe grasten auf den Weiden. Fahrende Blumenhändler boten am Straßenrand ihre Ware zum Kauf.
    Bert hielt an. Er entschied sich für einen kleinen Frühlingsstrauß und legte ihn vor dem Beifahrersitz auf den Boden. Er holte tief Luft, spürte die Aufregung, Imke Thalheim wiederzusehen.
    Einmal nur, dachte er. Einmal nur so tun, als gäbe es niemand anderen auf der Welt. Nur sie und mich. Aber natürlich wusste er, dass das nicht möglich war.
     

Kapitel 19
    Es gab zwei Restaurants in diesem Ort, ein griechisches und eines mit gutbürgerlicher Küche. Imke hatte sich für das griechische entschieden. Man saß dort in kleinen Nischen und konnte sich unterhalten, ohne ungewollt jedes Detail der Gespräche an den Nachbartischen mitzubekommen.
    Während sie auf den Kommissar wartete, hing sie ihren Gedanken nach. Außer ihr war noch kein anderer Gast im Lokal. Es war unangenehm kühl, als wäre die Heizung eben erst aufgedreht worden. Imke befühlte den Heizkörper neben ihrem Tisch.
    Er war lauwarm.
    Solche unbedeutenden Widrigkeiten konnten sie jedoch nicht deprimieren. Sie freute sich darauf, endlich wieder Gesellschaft zu haben und mit jemandem reden zu können. Sie hatte so lange darauf verzichten müssen.
    Nach dem zweiten Glas Tee sah sie den Wagen des Kommissars auf den Parkplatz fahren. Ihr Herz schlug schneller. Für eine Sekunde verspürte sie den Impuls zu flüchten. Sie wusste, was diese Symptome bedeuteten.
    Das Blut schoss ihr ins Gesicht. Ihre Wangen brannten. Was, um Himmels willen, tat sie hier? Sie war nicht mehr sechzehn. Und es gab einen Mann an ihrer Seite.
    Tilo, ich liebeliebeliebe dich!
    Sie wischte sich die feuchten Hände an ihrem Rock ab. Zerknautschte den Stoff, um sich an etwas festzuhalten. Dann  zog sie ihr Handy aus der Tasche und wählte Tilos Nummer. Er meldete sich nicht.
    Warum bist du nie da, wenn ich dich brauche?
    »Ich wollte dir nur sagen, dass ich dich … vermisse«, sprach sie auf die Mailbox, ein wenig atemlos und konfus. Es war nicht ganz der Satz, den sie hatte sagen wollen, doch jetzt war es zu spät.
    Imke starrte zur Tür, legte das Handy auf den Tisch und schlug die Beine übereinander. Sie wusste nicht, wohin mit ihren Händen, und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Verhalten war lächerlich. Sie war zu lange allein gewesen. Wahrscheinlich hätte sie sich auf jeden Besucher gestürzt, der ihr ein Fitzelchen Normalität versprochen hätte.
    Sie wünschte sich woandershin.
    Der Kommissar betrat den Raum und sah sich suchend um. Sein Blick streifte sie und glitt über sie hinweg. Als er sich an den Kellner wenden wollte, hob Imke die Hand und winkte ihm.
    Verwundert schaute er zu ihr herüber. Wandte sich ab. Fuhr zu ihr herum.
    Natürlich. Er wusste nicht, dass sie sich zwei Perücken zugelegt hatte. Eine davon trug sie gerade. Die Haare reichten ihr bis zu den Schultern, ein sattes, warmes Kastanienbraun, das im Licht rötlich schimmerte. Imke

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