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Der Schattenjäger (German Edition)

Der Schattenjäger (German Edition)

Titel: Der Schattenjäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Freund als ihn kann eine Frau wie ich nicht erwarten.« Bella sah Wolf ernst an, als erinnerte sie sich an ein Urteil, das sie früher einmal über ihn gefällt hatte und das sie auf der ganzen Linie bestätigt fand. »Auf Wiedersehen, Max. Es war nett, dich zu sehen, aber komm nicht wieder.«
    Plötzlich wurde Sascha von unsichtbarer Hand ergriffen und zum Ausgang befördert. Der verdutzten und hilflosen Lily erging es genauso. Wolf verwehrte sich der Macht, um zu zeigen, dass er aus freien Stücken die Bibliothek verlassen werde. Doch als er wenig später seine Lehrlinge in der Eingangshalle traf, war er gereizt und verärgert.

11 Tod in der Baugrube
    Von Morgaunts Stadtpalais bis zum oberen Ende der immer noch im Bau befindlichen U-Bahn-Linie nach Harlem war es nur ein kurzer Fußmarsch. Dort angekommen, brauchten sie nicht lange nach dem Unglücksort zu suchen. Sie folgten einfach dem grellen Leuchten der Scheinwerfer. Die U-Bahn verlief ein paar Häuserblocks östlich der Abstell- und Rangiergleise der Hudson-River-Eisenbahnlinie in einem Viertel, zu dem, neben Schlachthöfen und Gerbereien, auch von Spekulanten erbaute, billige Wohnhäuser gehörten.
    Als sie den Unglücksort erreichten, konnte Sascha nur staunen. Es sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Der ganze Block war mit Feuerwehrfahrzeugen verstopft und es wimmelte von Rettungsleuten. Eine dichte Staubwolke hing in der Luft und dämpfte das Scheinwerferlicht zu einem rußig-grauen Schleier. Auf der Nordseite der Baugrube gähnte der schwarze Tunneleingang der U-Bahn wie ein Mund, dem man alle Zähne ausgeschlagen hatte. Zwischen den drei Inquisitoren und dem Tunneleingang dehnte sich das weite Rund der offenen Baugrube.
    In den vergangenen Jahren hatte Sascha schon viele U-Bahn-Tunnel gesehen, die an allen Ecken des Stadtzentrums auftauchten und sich über die ganze Insel Manhattan schlängelten, aber jedes Mal verblüffte es ihn aufs Neue, wie tief die Baugruben waren. Auch diese Grube hier ging durch Pflasterstein, Kies, Lehm und Fels tief ins Erdreich hinein. Wasser trat aus den Wänden und sammelte sich in schlammigen Pfützen am Grund. Dicke Baumwurzeln ragten wie verkrampfte, verstümmelte Finger aus der geschundenen Erde. Felsblöcke, groß wie Kutschpferde, traten aus den Grubenwänden und abgesplitterte Brocken lagen zerstreut auf dem Boden. Sascha stellte sich schaudernd vor, wie es wohl wäre, dort unten in der Grube zu arbeiten, wenn sich einer dieser Riesen aus der Wand löste und donnernd in die Tiefe krachte. Zwischen Pfützen und Felsbrocken türmten sich Steine und Mörtelsäcke. Die Bauleute waren so mit Staub und Schlamm bedeckt, dass man sie für Bewohner dieser dunklen Unterwelt halten konnte. Sie erinnerten Sascha an Geschichten, die sein Großvater ihm erzählt hatte und in denen es um den Golem ging, einen aus Lehm erschaffenen künstlichen Menschen.
    Auch Wolf beobachtete die Grubenarbeiter eine ganze Weile, aber sein Gesicht blieb teilnahmslos, als wäre er in Gedanken ganz woanders. Ein halbes Dutzend Ingenieure und Vorarbeiter standen, über Pläne gebeugt, am Ende des Baugerüstes und unterhielten sich. Dann löste sich einer aus der Gruppe, kam zu Wolf herüber und fragte, ob er Hilfe brauche.
    Wolf zeigte dem Mann seinen Polizeiausweis und sagte, er müsse mit Morgaunt sprechen. Der Gesichtsausdruck des Mannes verhärtete sich und er betrachtete misstrauisch den Ausweis, dann zeigte er auf ein paar Holzbaracken unweit des Grubenrands.
    »Wartet hier«, wies Wolf seine Lehrlinge an. »Und kein Herumstöbern. Die Baustelle ist gefährlich.«
    Lily wartete nur, bis Wolf außer Sicht war, dann nahm sie die ersten Stufen der wackeligen Holztreppe, hinab in die Baugrube.
    »Was machst du?«, fragte Sascha, obwohl er die Antwort schon wusste.
    »Entdecken!«, verkündete Lily unternehmungslustig.
    »Weißt du noch, was letztes Mal passiert ist, als du nicht auf Wolf gehört hast?«
    »Und ob! Wir haben ein Geheimnis gelüftet!«
    »Wir haben – ach, ich geb’s auf!« Sascha zog ein Gesicht und entfernte sich vom Grubenrand, damit er nicht mit ansehen musste, wie Lily die Stufen hinuntertrippelte. Das geschähe ihr recht, wenn Wolf jetzt zurückkäme und sie in flagranti ertappte!
    Keine halbe Minute später war seine Wut verraucht und er wollte Lily folgen. Er hatte schon einen Fuß auf die erste Stufe gesetzt, da tauchten am Grund der Grube ein halbes Dutzend Bauleute auf, die einen langen, schweren, in ein

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