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Der Schattenjäger (German Edition)

Der Schattenjäger (German Edition)

Titel: Der Schattenjäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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irgendwie, stets die gerade erforderlichen Informationen zu finden. Mit den Früchten seiner Recherche setzte er sich wieder an den Schreibtisch, blätterte eine Weile in den Papieren, klemmte sich dann alle Schriftstücke unter den Arm und klopfte an Wolfs Tür.
    Ein Stuhl knarrte. Die zauberhafte Musik hörte auf.
    »Wer stört?«, rief Wolf.
    »Ich bin’s«, antwortete Payton.
    »Nun gut, kommen Sie rein.«
    Payton trat in Wolfs Büro, schloss mit dem Fuß die Tür hinter sich und bedeutete den Lehrlingen mit einem scharfen Blick, besser nicht an der Tür zu lauschen, sobald sie einmal ins Schloss gefallen war.
    Was beide selbstverständlich sofort taten. Aber in Wolfs Büro war nur das Rascheln von Papier zu hören, während Payton die Aktenstücke vorlegte.
    »Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Wolf. »Und selbst wenn Sie recht haben, was können wir tun? Keegan würde mir eher einen Durchsuchungsbefehl für das Rathaus geben, als dass er eine Durchsuchung bei Pentacle zuließe.«
    Payton räusperte sich. »Wissen Sie«, begann er in sinnierendem Tonfall, als ob er mit sich selbst spräche, »ich habe schon lange keinen Urlaub mehr genommen … Es ist eine persönliche Angelegenheit, die ich wirklich gern erledigen würde.«
    »Ich habe Sie nicht als Mitarbeiter, damit Sie losrennen und sich in Gefahr begeben!«
    »Und ich habe in den drei Jahren, seit ich für Sie arbeite, noch keinen einzigen freien Tag genommen.«
    »Payton!«
    »Und außerdem fühle ich mich gar nicht so in Form …«
    »Na schön. Aber Payton, wenn Sie erwischt werden –«
    »Dann beziehe ich eine Zelle in den Grüften«, sagte Payton lässig. »Und Sie holen mich da wieder raus.«
    Im nächsten Augenblick kam Payton aus Wolfs Büro. Er zog seinen Mantel an, klemmte sich noch mehr Akten unter den Arm und ging. Sascha und Lily warteten, bis seine Schritte auf dem Flur verhallten. Dann schlichen sie sich wieder an Wolfs Tür und sahen durch einen Spalt, wie Wolf an seinem Schreibtisch saß und sich Rosies Film anschaute.
    Sie sahen, wie der Klezmerkönig Feuer fing und Funken sprühte. Sie hörten die verzaubernde Musik. Sam Schloskys bleiches Gesicht lugte aus den Kulissen hervor. Und da Wolf diese Filmsequenz immer wieder spielte, hörten sie immer wieder Naftali Ashers verzweifelte letzte Worte – »Nein! Sam!«.
    Plötzlich sprang Wolf von seinem Stuhl auf und griff nach seinem auf dem Boden liegenden Mantel.
    »Los«, rief er seinen Lehrlingen zu. »Jetzt erledigen wir etwas, was wir gleich nach den ersten Sensationsmeldungen am Freitagabend hätten tun sollen. Wenn Morgaunt mir unbedingt beibringen will, was ich als Ermittler zu tun habe, kann er es mir auch persönlich sagen.«

10 Ein Bücherschrank mit schlechten Manieren
    Sie durchquerten gerade den Central Park, als sie die Explosion hörten. Es war ein trockener Knall, der Sascha an das Zertreten einer Pappschachtel erinnerte. Dann rollte ein dröhnendes Grollen durch die Abenddämmerung wie eine Flutwelle nach dem Dammbruch.
    Wolf hob kurz die Augen von seiner Zeitung und kehrte gleich zu seinem Kreuzworträtsel zurück.
    »Um Himmels willen, was war das?«, flüsterte Sascha Lily zu.
    Lily zuckte nur mit den Schultern. »Schon die ganze Woche wird gesprengt, für die U-Bahn-Linie nach Harlem. Oder es sind die Arbeiten an Morgaunts Haus.«
    »Ist das immer noch nicht fertig?«
    Als Sascha das erste Mal zu Besuch in J. P. Morgaunts Stadtpalais an der Fifth Avenue war, wurde dort ein automatisches Kutschenparksystem eingebaut. Außerdem kampierte eine ganze italienische Steinmetzfamilie auf dem Dach. »Stimmt es, dass er eine private U-Bahn-Station besitzt?«
    »Ja. Er hat sie meinen Eltern gezeigt, als wir letztens bei ihm zum Abendessen eingeladen waren. Meine Mutter wollte nicht, dass ich zur Besichtigung mitgehe.« Lily verzog das Gesicht. »Sie meinte, die Skulpturen im Brunnen seien für junge Mädchen ungeeignet.«
    »Wie, da unten gibt es einen Brunnen?«
    »Ja, selbstverständlich. Was sollte man sonst mit dem Wasser machen?«
    Sascha schüttelte den Kopf, um das Schwindelgefühl loszuwerden, das ihn immer befiel, wenn Lily erklärte, wie »normale Menschen« lebten.
    »Wieso Wasser?«, fragte er, als sie die imposanten Granitstufen zu Morgaunts Eingangsportal hinaufgingen.
    »Wir sind hier auf einer Insel, Sascha. Denk mal darüber nach.« Lily hatte nur einen herablassenden Blick für ihn übrig. »Fährst du nicht jeden Tag mit der U-Bahn zum Dienst? Ehrlich,

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