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Der Schattenjäger (German Edition)

Der Schattenjäger (German Edition)

Titel: Der Schattenjäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Mit jedem weiteren Augenblick zweifelte Sascha, wofür er eigentlich kämpfte. Immer schwerer fiel ihm die Erinnerung, dass er Sascha war, immer leichter der Gedanke, dass er nur der Schatten eines Jungen war.
    Im nächsten Moment trat Großvater Kessler in den Kreis und ging durch den Flammenkranz, als ob es nur ein Muster auf Morgaunts Perserteppich gewesen wäre. Seine Gestalt verwandelte sich, der gekrümmte Rücken richtete sich stark auf, und seine abgewetzte Kleidung strahlte von innerem Glanz. Er sah furchterregend aus. Wie ein Racheengel fuhr er zwischen Sascha und den Dibbuk.
    Das Schattenwesen bebte. Der Rabbi aber trat vor ihn und öffnete die Arme.
    »Komm«, bat er den Dibbuk, »finde deinen Frieden bei mir.«
    Der Dibbuk zögerte, dann ließ er sich in die Arme des alten Mannes fallen.
    Sascha schossen die Erinnerungen vorheriger Angriffe des Dibbuks durch den Kopf. War das Schattenwesen nicht durch Antonios Hass und Rachedurst nur noch stärker geworden, hatte es nicht Lilys verborgene Einsamkeit verschlungen? Doch was der Dibbuk jetzt aus Rabbi Kessler sog, war etwas anderes; nicht Hass oder Kummer, sondern Wärme und Liebe – und das Leben.
    Für einen Augenblick schien es so, als wäre damit die heulende Sehnsucht im Innern des Dibbuks gestillt. Aber Rabbi Kessler hätte ebenso gut den Grund des Meeres mit einem kleinen Glas Wasser füllen mögen. Der alte Mann schwankte, brach in sich zusammen, und die Dunkelheit, der Hunger des Dibbuks, sog ihn mit gierigen Zügen auf.
    »Nein!«, schrie Sascha.
    Doch es war zu spät.
    Sein Großvater war nicht mehr.
    Wieder stand Sascha dem Dibbuk allein gegenüber.
    »Gib ihm den Rest!«, bellte Morgaunt.
    Das Wesen ging zum Angriff über, stärker als je zuvor, da es sich nun ein weiteres Seelenleben einverleibt hatte. Sascha trat an den Rand des magischen Kreises. Er spürte die Flammen in seinem Rücken züngeln.
    Auf der anderen Seite des Kreises versuchte sich Lily verzweifelt aus Bella da Serpas eisernem Griff zu winden. Schließlich hob sie einen Fuß und trat mit aller Kraft auf den feinen Schuh der Bibliothekarin. Bella schrie auf. Lily riss sich los, stürzte vorwärts und trampelte auf den Flammen herum, bis für Sascha eine Lücke aus dem magischen Kreis entstand. Aber der Dibbuk war noch schneller als er. Einen Augenblick lang stand er in der Lücke des Flammenkranzes und wusste nicht, ob er fliehen oder Sascha angreifen sollte.
    »Mach ihn endlich fertig!«, schrie Morgaunt und schwenkte mit dem lang begehrten Schatz. Der Dibbuk zögerte und warf sich wie ein in die enge getriebener Tiger auf Morgaunt, versetzte ihm einen fürchterlichen Hieb ins Gesicht und riss ihm die Walze aus der Hand. Dann floh er durch die Eingangshalle, seine nackten Füße klatschten wie Regentropfen auf dem polierten Marmor.
    Sascha rannte ihm nach, getrieben von einer tiefen Trauer, die stärker war als der Drang, bei der Leiche seines Großvaters zu bleiben. Er durfte nicht zulassen, dass der Dibbuk in die wimmelnde Menge der Großstadt entkam und sich neue Opfer unter den ahnungslosen Menschen suchte. Hinter sich hörte Sascha Bella da Serpas hochhackige Schuhe über den Boden klacken. Er hoffte inbrünstig, dass Lily und Mo ihm auch folgen würden.
    Am Ende der Eingangshalle verschwand der Dibbuk durch eine dunkle Tür. Sascha folgte ihm und wäre beinahe eine steile Treppe hinuntergefallen. Die Treppe führte tief ins Innere der Erde. Was wollte der Dibbuk hier unten? Kehrte er in die Grube zurück, aus der Morgaunt ihn heraufbeschworen hatte?
    Ein moderiger Geruch stieg aus der Dunkelheit auf. Sascha erkannte ihn, als die Treppe endete und ihn auf J. P. Morgaunts sagenumwobene private U-Bahn-Station entließ.
    Der Dibbuk schlängelte sich vor ihm am Schienenstrang entlang. Der Bahnsteig verengte sich und es gab keine andere Möglichkeit, als geradeaus weiterzulaufen. Wenn Sascha jetzt die Hand ausstreckte, könnte er den Dibbuk beinahe fassen. Was er mit ihm tun würde, war ihm nicht klar. Nur eines wusste er: Er durfte ihn nicht entkommen lassen.
    Näher, immer näher, gleich hatte er ihn.
    Sascha setzte zum Sprung an, doch der Dibbuk glitt vom Bahnsteig hinab auf die Schienen. Die mittlere Schiene glitzerte bedrohlich im Dunkeln, knallte und zischte vor elektrischer Spannung, als der Dibbuk über sie hinwegstrich. Doch ihm geschah nichts.
    Sascha fasste sich ein Herz und sprang ebenfalls. Er kam beim Landen ins Stolpern und hätte beinahe mit dem Gesicht die

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