Der Schattensucher (German Edition)
hinabführte. Ihn erwartete eine längliche Gewölbehalle, die von unzähligen Fackeln gesäumt war. Es sah aus, als würden rundherum leuchtende Finger nach ihr greifen. Von oben war ein beständiges Wasserrauschen zu hören. Auf einigen Regalen entlang der Wände erblickte er Glasflaschen und Schalen. Eine Reihe von Metallbehältern und ein Ofen erstreckten sich an einer Seite. Nicht weit von ihm stand ein Tisch, ähnlich wie er ihn in seinem Labor hatte. Eine Feuerstelle mit einem Kessel fehlte ebensowenig wie ein Rohr, aus dem sich ein dünner Wasserstrahl quälte, der in eine Ablaufrinne mündete. Dieser Teil des Kellers wirkte wie eine Mischung aus Thanos’ Labor und der Meskanhalle.
Auf halber Länge knickte der Boden in eine Treppe ab und dahinter, zwei Meter tiefer, erstreckte sich der zweite Teil der Halle. Hölzerne Ständer mit unzähligen Schwertern, Speeren und Eisenkeulen säumten die Wände. Einen Ofen und zahlreiche Ambosse konnte Thanos sehen. Auf der Fläche in der Mitte tummelten sich raue Männer, unterhielten sich, begutachteten die Waffen, schienen mit Spannung auf etwas zu warten. Einige gingen mit Bierkrügen umher, die sie an einem dicken Fass auffüllten. Es mochten einige Dutzend sein, wie Thanos auf den ersten Blick schätzte. An der Wand ganz hinten schmiegten sich die Flügel eines breiten Tores an die Wand. Wie eine überdimensionierte Waffenkammer erschien dieser Teil der Halle.
Sie führten ihn in die Mitte des oberen Hallenabschnitts. Gereon, der oberhalb der Treppe stand und den Männern unten zugesehen hatte, drehte sich zu ihm um und lächelte.
»Herzlich willkommen! Schön, dass Ihr mich besucht.«
»Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Man hätte ja nicht gedacht, was man hier alles zu sehen bekommt«, sagte Thanos und ließ seinen Blick über das gesamte Ausmaß der Halle schweifen.
»Ach wo. Im Vergleich zu Euren Bauten ist das alles bescheiden.«
»Wann habt Ihr das alles errichtet?«
»Schon mein Großvater hat Teile dieses Kellers geschaffen. Nach und nach ist er gewachsen. Er ist eine Meisterleistung. Das obere Viertel des Mauerwerks grenzt den Keller von der Stilla ab. Hört Ihr das Rauschen?« Er deutete mit dem Finger zum Gewölbe hoch. Thanos hatte von draußen schon gesehen, dass das Haus unmittelbar am Fluss lag. Es hatte sogar einen kleinen Bootssteg. Wie dick wohl das Mauerwerk an dieser Seite war?
Sie wandten sich zur Treppe, wo zwei Männer Elena hinuntertrugen. Auf einer Bank nicht weit von Thanos betteten sie sie in Decken, während sie noch immer krampfartig zuckte. Sie schien kaum wahrzunehmen, wo sie sich befand.
Gereon schaute mitleidig hinüber. »Ich habe von dem Missgeschick erfahren. Es tut mir sehr leid für sie, dass gerade jetzt … ich meine, wo sie so lange auf diesen Zeitpunkt gewartet hat.«
»So gebt ihr doch endlich ein Heilmittel! Sie wird das nicht lange durchhalten.«
»Das wird von Euch abhängen. Gewissermaßen kommt das gar nicht so ungelegen.« Gereon schritt hinüber zum Labortisch. Er nahm einen Rührstab in die Hand und fuhr mit der Hand darüber. »Dieser Tisch stammt übrigens von meinem Großvater. Nicht sehr lange, nachdem er sich hier niedergelassen hatte, richtete er sich sein Labor ein. Darüber staunt Ihr, wie? Oben im Haus ist er zu einem braven Stadtbürger geworden. Aber hier unten hat er nicht aufgehört, seinen Leidenschaften nachzugehen. Mein Vater und ich, wir gehörten zu den wenigen, die ihn wirklich kannten.«
»Euer Großvater war ein Narr. Auch ich kannte ihn.«
»Ja, deshalb habt Ihr ihn auch sachte entfernt. Ihr scheint nicht sehr gut mit seinem Wunsch zurechtgekommen zu sein, unsterblich zu werden.«
»Er wäre bereit gewesen, mich dafür zu töten.«
»Ist das nicht verständlich, wenn man glaubt, dass dies zum Ziel führt? Nun ja, er war in der Tat ein störrischer Kerl. Er konnte sich zeit seines Lebens nicht von seiner wahnwitzigen Idee lösen. Mein Vater und ich haben es früh aufgegeben, ihn umstimmen zu wollen. Natürlich wussten wir, dass Eure Unsterblichkeit nicht auf einen anderen übertragbar ist. Eine Sache verstand mein Großvater nicht: dass die tatsächliche Erscheinung doch lächerlich wenig Bedeutung hat gegenüber der Wahrnehmung anderer. Wieso sollte ich all meine Kraft dafür aufwenden, körperlich unsterblich zu werden, wenn es doch eine höhere Form der Unsterblichkeit gibt? Ja, Thanos, auch Ihr habt das nicht verstanden.«
»Offenbar nicht. Verratet es mir.«
»Es ist
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