Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schattensucher (German Edition)

Der Schattensucher (German Edition)

Titel: Der Schattensucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Braun
Vom Netzwerk:
dich!«
    Er wollte etwas erwidern, da legte sie den Finger um den Abzug und hielt ihm die Armbrust an die Stirn. »Kein Wort mehr!«, fauchte sie kalt, als hätte das Gespräch eben nicht stattgefunden. Dabei atmete sie schwer. Merkus warf einen strengen Blick nach hinten.
    Der Wagen fuhr weiter Richtung Süden. Die gepflasterten Straßen des Kaufmannsviertels sorgten für ein gleichmäßiges Beben und Rattern.
    Elena hatte sich ihre Rache befriedigender vorgestellt. Sie hatte Thanos immer, wenn sie daran gedacht hatte, mit erschrockenem, flehendem Gesicht vor Augen gehabt. Es hatte zum Ausdruck gebracht, wie machtlos er plötzlich war, wie überrascht, dass eine von den vielen Leichen in seinem Keller auferstanden war und ihn heimsuchte. Doch nun sah sie etwas völlig anderes. Thanos wirkte, wie er immer gewirkt hatte. Seine Welt schien sich unbeirrt weiterzudrehen. Zugleich hatten seine Worte etwas Werbendes, als wolle er sie dazu bringen, mit aufzuspringen auf seine sich weiterdrehende Welt. Lächerlich war das! Thanos stand kurz vor seinem Ende, und das wusste er. Sie, die Todgeweihte, würde das Ende des Unsterblichen miterleben.
    »Wohin fahren wir eigentlich?«, fragte Thanos nach einer Weile.
    »Das wirst du schon sehen«, gab Sandrin zurück.
    »Wir fahren zu Gereons Haus, nicht wahr?«
    »Wenn du es so genau weißt, weshalb fragst du?«
    »Was gefällt euch an diesem Mann, dass ihr ihm Glauben schenkt?«, fragte er in die Runde.
    »Du sollst schweigen!«, fauchte Elena.
    »Genau deshalb habe ich eine Frage gestellt. Ihr sollt reden.«
    »Du hast hier gar nichts zu fragen.« Sie hustete. »Dir ist der Ernst der Lage nicht bewusst. Auf dich wartet der Tod.« Sie hustete noch mehr.
    »Doch, das ist mir bewusst«, sagte Thanos. »Aber wie steht es um euch? Ist euch der Ernst der Lage bewusst?«
    »Mehr als du denkst.« Elena fing zu zittern an. Sie merkte, dass die Armbrust immer schwerer wurde. Mit aller Kraft versuchte sie, sie aufrechtzuhalten. »Du wirst …«, immer schwerer wurden ihre Worte, »sehen, wie …«, auf ihrer Stirn erschienen Schweißperlen, »… sehen, wie …«.
    Merkus drehte sich zu ihr um. »Elena, was ist?«
    Elena taumelte und kämpfte darum, die Armbrust nicht sinken zu lassen. »Es ist schon alles … in … Ord…«
    »Halt an!«, rief Merkus. Der Wagen kam abrupt zum Stehen.
    Thanos schaute besorgt zu ihr hinüber und erklärte, dass sie schnell ein Serum bräuchte. Merkus hörte ihm nicht zu, sondern stieg nach hinten, fing Elena auf, als sie zur Seite kippte und rief ein paarmal ihren Namen. Sie keuchte, hustete, ihr Gesicht verzerrte sich.
    »Es ist ein Anfall«, sagte Thanos. »Sie braucht ein Serum.«
    »Los, weiterfahren!«, schrie Merkus. Er deckte Elena zu, ergriff ihre Armbrust und nahm mit grimmigem Blick ihren Platz ein. »Rühr dich nicht vom Fleck!«

47. Kapitel
    Levin hatte das Gefühl, die Kälte der Stilla sei noch unerträglicher als das letzte Mal. Er machte schnelle Bewegungen und versuchte, sich so bald wie möglich ans Ufer treiben zu lassen. Bei der ersten Gelegenheit packte er eine hereinragende Wurzel, zog sich gegen die Strömung an Land und robbte einen Meter die Uferböschung hinauf.
    Du bist fertig , sagte er sich. Wenn du wolltest, könntest du jetzt einschlafen und morgen früh überlegst du dir, wo du dir dein Essen klaust. Wie einfach das doch ist. Doch er wusste sofort, dass das eine Lüge war. Das Schicksal der Stadt hing an ihm wie die Nässe an seinem Körper. Es gab nur noch eine Möglichkeit, wie es weitergehen konnte, und diese Möglichkeit hatte in dieser Nacht eine klare Richtung bekommen. Auch das war einfach. Er musste nicht mehr nachdenken, wie aussichtsreich sein Weg war. Er musste einfach weitergehen.
    Als er den Kopf hob, sah er das Lagerfeuer nicht weit von sich entfernt. Die nächste Station. Nichts, was die Stadt rettete, aber etwas, was seinen Weg fortsetzte. Und wenn er ihn zu Ende ging, vielleicht würde das dann doch die Stadt retten.
    Eine Gruppe Obdachloser saß um das Feuer. Sie erlaubten Levin, sich daran zu wärmen. An ihrer Kleidung, ihrem Gehabe und den Pferden an den Bäumen sah er, dass es sich genau genommen um einen Diebesklan handelte. Sie klauten, was sie den Tag über brauchten, und würden wohl für den Rest ihres Lebens nie etwas anderes tun. Einfache, anspruchslose Menschen waren das.
    Er schwieg, während er seine Hände gegen das Feuer hielt. Eine Weile würde es brauchen, bis er trocken war. Dann musste es

Weitere Kostenlose Bücher