Der Schattensucher (German Edition)
sehen war. Auf den Dächern machten sich die Schützen der Stadtwache bereit.
»Ist es nicht erstaunlich?«, sagte Gereon, während Thanos die Instrumente bereitlegte. »Keinen von diesen Männern habe ich ausbilden müssen. Sie sind nichts als einfache Bürger der Stadt, denen ich klargemacht habe, dass sie kämpfen müssen, wenn sie ihre Familie beschützen wollen.«
Thanos sah zu den ahnungslosen Männern hinüber. Keiner von ihnen trug eine Rüstung. Sie tranken Bier, machten Witze und schienen nicht an dem interessiert, was hier oben vor sich ging. Nur einer saß am Rand, nicht weit von ihm entfernt, und schien genau zu wissen, was los war. Ramon. Thanos erkannte ihn erst jetzt. Für einen Augenblick trafen sich ihre Blicke, ein Hoffnungsfunke blitzte bei Thanos auf und er hantierte unauffällig am Labortisch weiter.
»Wollt Ihr das Geheimnis wissen?«, fragte Gereon und griff nach einem Speer. Er zielte auf eine Stelle an der Wand und schleuderte den Speer mit geringer Kraft durch den Raum. Von neugierigen Blicken verfolgt schlug das Geschoss gegen die Wand, brach einen Steinbrocken heraus und hinterließ ein tiefes Loch. »Nicht schlecht für einen schwachen alten Mann wie mich.«
»Nicht, wenn man einen Großvater hatte, der sich mit Meskan beschäftigt hat«, wandte Thanos ein. »Ich war dabei, als er diese Entdeckung machte.«
»Dann wisst Ihr ja, wie zerstörerisch all die anderen Waffen sind, die hier auf ihren Einsatz warten. Selbst die erprobten Krieger von Briangard werden ihnen nicht standhalten können.«
»Mit diesen paar Männern wollt Ihr dem Heer gegenübertreten?«
»Nicht doch. Diese Leute sind nur dazu da, mein Haus zu verteidigen. Wenn der Krieg beginnt, wird dieser Keller die Waffenkammer der alsunischen Stadtwache sein. Wir haben schon Karren bereitgestellt, um die Soldaten in allen Teilen der Stadt zu beliefern.«
Ein Bote kam die Treppe heruntergerannt. »Herr, die Brianer sind losgezogen. Eine ganze Armee von Reitern. Sie sind Richtung Osten geritten.«
»Oh, sie sind schnell, Eure Anhänger«, sagte Gereon zu Thanos gewandt. »Dann geht es also bald los. Die Schlacht beginnt bei der Weberei, wie ich erwartet habe. Bald wird die Stadtwache Verstärkung brauchen. Sagt den Männern, sie sollen die Waffen in die Karren laden!« Entschlossen ging er zum Labortisch zurück. »Ein großer Tag für diese Stadt! Und nun fangt endlich an, Euer Serum zu mischen. Ich bin schon sehr gespannt.«
Vom Balkon aus konnten sie alles sehen. Helme, Schilde und Pferdemähnen erfüllten die Seitenstraße bis zum Ende. Das brianische Heer wartete und blickte zum Haus hinüber, in dem sich Levin und Thekla hinter der Balkonbrüstung verschanzten. Der Morgen war angebrochen.
Jason ritt näher heran und erhob seine Stimme: »Wir fordern die Herausgabe des Erbauers von Briangard!« Scharf und durchdringend war sein Ton. Er verriet, dass es an diesem Tag keine langen Verhandlungen geben würde.
Die Tür öffnete sich knarrend. Der kräftige Darius trat unbewaffnet heraus und blieb breitbeinig stehen. »Der Mann, den Ihr sucht, ist nicht hier.«
Jason stieg nicht vom Pferd, er ließ noch nicht einmal die Zügel los. »Ich sagte, wir fordern die Herausgabe des Erbauers. Oder aber wir werden keinen Stein auf dem anderen lassen.«
»Und ich sagte, Euer Erbauer ist nicht hier.«
»Ich verhandle nicht.«
»Ihr brecht das Abkommen, wenn Ihr uns angreift.«
»Ihr habt es bereits gebrochen«, gab Jason ruhig, aber bestimmt zurück.
»Untersucht das Haus, aber er ist nicht hier.«
»Ihr lügt. Für so etwas haben wir keine Zeit.«
»Etwa dafür?« Darius machte eine Handbewegung und überall auf den Dächern erhoben sich die Schützen. Auf ein zweites Handzeichen hin erschien auf der gegenüberliegenden Seitenstraße ein Reiter, dem ein weiterer und dann immer mehr Reiter folgten. Mit genügend großem Abstand blieben sie stehen und zogen die Schwerter. Levin schätzte einige Dutzend Kämpfer. Ungefähr fünfzig Meter waren die beiden Reiterheere voneinander entfernt, Darius stand dazwischen.
»Ihr wollt also den Krieg«, sagte Jason.
»Ihr wollt ihn. Es wird kein Mann sterben, wenn ihr Euch zurückzieht.«
»Ihr entführt den Erbauer und glaubt, wir würden kampflos aufgeben?«
»Holt ihn Euch doch! Glaubt aber nicht, dass er dann noch lange am Leben ist.«
»Zeigt uns den Erbauer!«
»Ihr werdet uns keine Befehle geben«, sagte Darius mit erschreckender Gelassenheit.
»Ihr habt ihn schon
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