Der Schattensucher (German Edition)
erschien ein Bote und kündigte an, dass eine Armee der Stadtwache aus der Kaserne unterwegs sei.
»Das ist eine gute Nachricht. Ich danke Euch. Bis dahin wird unsere Barrikade ohne Probleme halten. Ihr seht, Thanos, es ist bald so weit. Die Befreiung von Alsuna ist in greifbare Nähe gerückt.«
51. Kapitel
Es war abscheulich, was Ramon zu sehen bekam. Er hatte sich größte Mühe gegeben, seinen Speer weit an den Gegnern vorbeizuwerfen. Die anderen trafen jedoch und ließen die brianischen Männer zu Boden gehen. Als die Wächter sie dann antrieben, hinter der Barrikade hervorzukommen und die Schilde der Toten zu ergreifen, stahl Ramon sich davon. Unter einem der Karren fand er ein Versteck. Von dort musste er mit ansehen, wie sich seine Kameraden abquälten, vor Furcht schrien, wie sich die Kämpfer gegenseitig erschlugen und das Blut zu ihm hinunterlief.
Zuerst war er wie benommen. Dann trieb es ihn aus seinem Versteck. Er packte einen der Verletzten und zog ihn unter den Karren. Er hatte nicht viel, womit er ihm helfen konnte, doch wenigstens ließen sich mit seinem Oberteil die gröbsten Wunden verbinden. Viele tröstende Worte fielen ihm nicht ein.
Später holte er zwei weitere Verletzte unter den Karren. Einer von ihnen starb nach kurzer Zeit. Frustriert hämmerte er gegen das Holz und wünschte sich an irgendeinen anderen Ort.
»Du da unten! Was hast du da zu suchen!«, brüllte es hinter ihm. »Wer kämpfen kann, soll nach vorne!« Kurz darauf packte ihn jemand von hinten, zerrte ihn hinaus und trat ihm in die Hüfte. »Na los! Zu den anderen!«
Ramon krümmte sich vor Schmerz. Sein Blick verschwamm und die Stimme des Wächters wurde leiser. Was hatte er noch hier zu suchen? Auf welcher Seite sollte er kämpfen?
Er wusste nicht wieso, aber auf einmal wurde die Erinnerung an die furchtbare Todesnacht in ihm wach. Er sah wieder den Jungen und den stämmigen Mann, er sah seinen Karren, mit dem der Junge niedergestreckt worden war. War das, was er hier erlebte, nicht das Gleiche – nur in größerer Dimension? Warum war es nur immer so?
»Was ist los mit dir? Bist du zu feige?«
Ramon dachte an Thanos und kniff die Augen zusammen. Wenige Meter entfernt floss die Stilla vorbei. Musste man wirklich auf einer Seite stehen, um dem Guten zu dienen?
Seine Glieder regten sich, er stützte sich auf. Langsam stellte er sich auf die Beine.
»Na also! Heb dein Schwert auf!«
Ramon sah das Schwert auf dem Boden liegen, hob den Kopf und sah dem Wächter ins Gesicht. Dann rannte er los, stieß ihm seine Arme gegen die Brust, schob ihn mit der Wucht, die er hatte, zurück und stieß ihn rücklings in den Fluss.
Ohne ihm nachzusehen rannte er zu der Stelle, wo die Pferde standen, band eines los, legte dem Pferd eine Augenbinde an und führte es zur Barrikade. Er spannte das Pferd an den Karren mit den Stachelkeulen und setzte sich auf seinen Rücken.
»Gib alles, was du hast!«, schrie er und schlug dem Tier die Hacken in die Seite. Zuerst stockte es. Doch als der Karren angerollt war, wurde er immer schneller und schließlich lenkte Ramon das Tier im Galopp auf den Holzsteg zu. Die Hufe klapperten wild auf den Brettern. Kurz bevor er das Ende des Stegs erreicht hatte, riss er das Pferd nach links, es stürzte ins Wasser und zog den Karren mit sich. Ramon fiel vornüber, wurde hinuntergezogen und drehte sich orientierungslos im Wasser. Ein Wiehern war zu hören, Luftbläschen überall, irgendwo sah er, wie etwas Dunkles hinabsank und das Pferd mit sich zog.
Dann hörte er einen Donner, ein Scheppern und Krachen, spürte das Beben im Wasser und kurz darauf den Sog in Richtung der Mauer. Er ruderte wild mit den Armen, kämpfte sich bis zum Steg vor und hielt sich fest.
Das hatte Thanos also gemeint.
Thanos schüttete gerade das Serum in ein Fläschchen, als sie den Donner hörten. Blitzartig rissen sie die Köpfe hoch und sahen, wie eine eiserne Faust ins Gewölbe über der Waffenkammer einschlug. Steinbrocken spritzten zur Seite, ein Wasserstrahl, so dick wie ein Fass, stach in die Halle und schoss auf den Boden zu. Zuerst prasselte das eiserne Knäuel von Stachelkeulen auf den Boden nieder, dann folgten Holzsplitter und unendliche Mengen Wasser. Von der Wucht des Strahls getroffen wurden zwei Waffenständer umgerissen, sie kippten in die Halle hinein und stürzten mit einem weiteren Donnerschlag zu Boden.
Alles erbebte, Thanos musste sich am Tisch festhalten, ein Staubregen ergoss sich über
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