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Der Schattensucher (German Edition)

Der Schattensucher (German Edition)

Titel: Der Schattensucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Braun
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jemand gerade an der Stelle einstieg, die man schon von weit außerhalb der Stadt sehen konnte! Sie mögen gut ausgestattet sein , dachte er, aber in ihrem Denken sind sie alle gleich. Sie lassen sich von ihrer Angst und von offensichtlichen Reizen lenken. Er würde einfach die Treppe des Turms hinunterspazieren und schon war er im Innern des Palastes, wo es Verstecke in Hülle und Fülle gab.
    Den Plänen nach schloss der runde Hauptturm von Briangard eine hintere Ecke des Palastes ab, die Meskanhalle grenzte direkt daran. Sie hatte ein flaches Dach, das niedriger war als das des Palastes und an dessen Ende die Mauer steil bis zum Fluss hinunter abfiel.
    Levin hatte nun lange genug gewartet. Die Wache war ein ordentliches Stück entfernt und die nächste sollte nicht so schnell kommen. Er kletterte den Turm hinunter auf den Wehrgang und huschte auf die westliche Seite der Mauer, wo es ein weiteres Türmchen gab. Wieder duckte er sich und schaute in den Vorhof hinunter. Er war etwa dreißig Meter breit und verlief wie ein Kanal um die innere Festung. Eine Reihe von bescheidenen Hütten und Ställen lag am Fuß der Innenmauer; Holzkarren, Fässer, Kisten, ein Heuhaufen nahmen große Teile der Fläche ein. Auch entlang der Außenmauer konnte er Dächer erkennen, es war fast eine kleine Stadt für sich. Hinter manchen Fenstern flackerte es, einige Kamine qualmten.
    Dann schaute Levin den Hauptturm empor. Es mochten von ihm aus noch gut sechzig Höhenmeter bis zum von Zinnen umgebenen Spitzdach sein. Etwa vierzig Meter war der Turm von ihm entfernt. Alles entsprach genau den Angaben auf der Karte. Sie scheinen , dachte Levin, wenigstens eine ordentliche Arbeit zu machen, diese seltsamen Auftraggeber.
    Das Wichtigste aber war im Moment der Bussard, der am Tag über der Festung kreiste und hin und wieder zu seinem Nest zurückkehrte, das sich auf dem Dach des Hauptturmes befand. Levin hatte den Vogel beobachtet, als er Briangard aus der Ferne betrachtet hatte. Er lächelte in sich hinein. Die einzigen Verbündeten, denen ich wirklich vertraue, sind die Vögel. Freunde sind es, verlässliche Freunde.
    Er holte aus dem Sack ein dickes Seilbündel, das die ganze Zeit schon eine schwere Last gewesen war. Das Seil selbst war äußerst dünn, an seinem Ende befand sich ein Eisenstab. Als Nächstes holte er eine Schnur heraus, an der fünf tote Mäuse mit den Schwänzen befestigt waren. Er band die Schnur an den Eisenstab und hängte sie an der Spitze des Wachtürmchens über dem Wehrgang auf. Er legte sich flach auf das Dach des Türmchens und ließ einen Wächter unter sich passieren. Dann ließ er einen grellen Pfiff ertönen, den er in seinen Jugendjahren bis zur Vollkommenheit geübt hatte.
    Dreimal musste er pfeifen, dann segelte der Bussard heran. Er kam geradewegs auf das Türmchen zu, schien auf den letzten Metern im Mondlicht die Mäuse zu erkennen, schnappte sich im Flug eine von ihnen und stieg wieder empor. Zufrieden beobachtete Levin, wie der Bussard das Seilende mit sich zum Turm hinaufschleppte. Er flog direkt zum Nest, das sich hinter den Dachzinnen auf dem Hauptturm befand. Jetzt durfte er keine Zeit verlieren. Er zog am Seil, es spannte sich, als die Eisenstange sich hinter den Zinnen verfing. Das andere Ende des Seils band er an der Spitze des Türmchens fest.
    Nun holte er seinen letzten Gegenstand aus dem Beutel, eine kleine Armbrust. Den Pfeil hatte er präpariert. Er entzündete die Spitze an einem Feuerstein, spannte den Pfeil ein und schoss ihn in den Heuhaufen vor einer Scheune im Vorhof. In Sekunden loderte das Feuer auf, er hörte Hundegebell und laute Schreie im Hof. Doch er verlor keine Zeit, hängte sich rücklings an das Seil und hangelte sich mit Händen und Füßen daran hoch. Es schnitt in seine Finger und schaukelte bedrohlich, doch es trug ihn. Wie erhofft stieg von dem Heuhaufen dicker Qualm auf, der das ganze Gebiet um den Hauptturm herum, einschließlich seines Seils, einhüllte. Niemand würde ihn sehen. Er hörte das Kreischen, das Rennen, erste Löschversuche. Vermutlich gingen sie von einem Unglück aus. Doch selbst wenn sie einen Eindringling vermuteten, dann unten im Hof und nicht oben beim Turm. Die Wachen würden hinunter stürmen und alles absuchen. Keiner würde zu ihm hinaufschauen.
    Als er die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht hatte, hielt er zum ersten Mal an, um nach unten zu schauen. Der Rauch brannte in seinen Augen und er konnte nur Flecken erkennen. Wo waren die

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