Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schattensucher (German Edition)

Der Schattensucher (German Edition)

Titel: Der Schattensucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Braun
Vom Netzwerk:
eine andere Seite gibt. Lasst uns diesen Fehler nicht wiederholen. Wir haben in diesem Senat und in der Stadt Gegner und Befürworter des Grafen. Ist es nicht möglich, dass wir dennoch nach gemeinsamen Lösungen suchen? Als wir den Grafen seiner Herrschaft enthoben, ohne ihn aus der Stadt zu vertreiben oder zu töten, haben wir da nicht einen Weg gefunden, um den Frieden in der Stadt zu sichern? Es wäre nur klug, auch in der jetzigen Situation einen Weg zu suchen, den alle mitgehen können.
    In wenigen Wochen werden Senatorin Thekla und ich den Grafen auf Briangard zum dritten diplomatischen Treffen aufsuchen. Es ist gut, dass wir diese Treffen voriges Jahr ins Leben gerufen haben. Ich bin mir sicher, dass wir dadurch beiden Seiten besser gerecht werden können, als wenn wir die Fronten verschärfen und den Hass schüren. Ich schlage vor, dass wir als Senat eine Liste mit Anliegen und Fragen erstellen, die wir dem Grafen vortragen werden. Er soll wissen, dass die Stadtgemeinschaft von Alsuna sich nicht auseinanderbringen lässt. Und er wird merken, dass er nur dann dieser Stadt dient, wenn er die politischen Verhältnisse anerkennt und uns mit seinem Wissen weiterhilft.«
    Gereon fügte noch einige praktische Anmerkungen an, die aber beim Glanz seiner übrigen Worte nebensächlich schienen. Einige Senatsmitglieder schauten verlegen drein, andere nickten zustimmend. Einem Kaufmann entfuhr das Wort »Schönredner«. Er meinte, man solle den Grafen in seiner Burg verkümmern lassen. Nach einer kurzen Diskussion stimmte der Senat ab und beschloss mit knapper Mehrheit die Erstellung einer Liste, wie sie Gereon vorgeschlagen hatte. Vertreter aus allen Fraktionen sollten sich an ihr beteiligen, ehe man Thekla und Gereon als Gesandte des Senats auf die Festung Briangard schicken würde.

14. Kapitel
    Noch im Morgengrauen schlichen Levin und Elena durch ein Loch in der Bretterwand in die Scheune des Weinguts. Sie luden fünf Fässer auf den Karren, öffneten das Tor und führten die Ochsen fast geräuschlos hinaus. Auf der Straße bestiegen sie den Karren, Elena griff nach den Zügeln und sie fuhren zwischen den Häusern hindurch Richtung Briangard.
    Als sie den Stadtrand erreicht hatten und gemächlich die Anhöhe zum Festungstor hinauffuhren, war es inzwischen hell geworden. Vom alten Marktplatz im Norden der Stadt her hörten sie, wie das Leben erwachte. Oben auf der Festung wurde die Zugbrücke heruntergelassen.
    Der Wagen holperte auf der Schotterstraße, die zwei Kurven machte, um die Steigung gering zu halten. Erst jetzt fand Levin Gelegenheit, sich Elena anzuschauen. Nichts erinnerte mehr an die Prostituierte im Gasthaus, als sie neben ihm auf dem Ochsenkarren die Zügel hielt. Sie trug ein hellblaues Bauernkleid und eine Schürze. Üppige Körperformen waren kaum mehr zu erkennen, aber gerade das gab ihrer schlichten Gestalt besondere Würde. Ihr offenes Haar reichte bis zum Rücken hinunter, sie musste es immer wieder nach hinten streichen. Levin staunte unwillkürlich. Sie beeindruckte ihn in diesem Moment mehr als in der ganzen Nacht, in der sie sich im Gasthaus kennengelernt hatten. Jetzt, wo sie eine Rolle spielen sollte, wirkte sie auf einmal echt.
    Am deutlichsten sah er das in ihrem Gesicht. Ihre Haut war bräunlich, um die Augen zeigten sich schon Fältchen; sie war wohl wenige Jahre älter als er. Umso schöner stach das tiefe Blau ihrer Augen hervor, das ihrer ganzen Erscheinung eine natürliche Schönheit verlieh. Ohne die bemalten Lippen wirkte ihr Mund weitaus verschmitzter, als er es sich hätte vorstellen können.
    Damit kriegt sie uns überall durch , sagte er sich und zwang sich, nach vorn zu schauen. Vielleicht ist es gar nicht das Schlimmste, dass gerade sie mir über den Weg gelaufen ist.
    Als hätte sie seine Gedanken gehört, stupste Elena ihn an. »Na, denkst du nach?«
    »Aua! Du hast meine verletzte Schulter getroffen!«
    »So wehleidig, Krieger? Heute ist nicht viel von dir zu hören.«
    »Es ist früher Morgen.«
    »Dann gehörst du also zu denen, die erst nachts aufleben?«
    »Ich bezweifle, dass es bei dir anders ist«, sagte Levin und lächelte sie spöttisch an.
    Sie erwiderte das Lächeln. »Ich tue das von Berufs wegen. Manchmal wäre es mir auch lieber, ich könnte brav in meinem Bettchen ruhen.«
    Levin verkniff sich die Bemerkung, dass es bei ihm ähnlich sei. Besser, sie weiß nicht zu viel über mich , ermahnte er sich.
    »Nun, Frau Winzerin, wann wird dein Vater aufstehen und

Weitere Kostenlose Bücher