Der Schattensucher (German Edition)
Meister fest, »ohne zu wissen, ob er gebraucht wird.«
»Nun, wie ich gehört habe, hat Euch der Winzer Gregor schon lange nicht mehr beliefert.«
Jetzt horchte der Meister auf. »Woher kennt Ihr Gregor?«
»Er ist unser Nachbar. Er hat uns bei vielem geholfen.«
»Warum liefert er nicht mehr?«
»Er ist alt geworden. In letzter Zeit wollte ihm so einiges nicht mehr gelingen. Er bat uns, an seiner Stelle die Festung zu beliefern.«
Levin hatte den Namen Gregor nie gehört, doch es war ihm sofort klar, dass sie von ihrem Vater sprach. Mit jedem Satz, den sie von sich gab, wurde er nervöser.
»Gregor ist ein guter Mann, verlässlich. Er ist ein Brianer. Wie steht es um Euch?«
»Ach, das wollt Ihr wissen«, sagte Elena mit einer beschwichtigenden Handbewegung. Schnell zog sie das Kleid von der Schulter, deutlich weiter, als es nötig gewesen wäre, und hielt ihm das Brandmal hin. »Ich bin eine Brianerin.«
Der Meister trat näher, betastete das Mal ausgiebig und nickte langsam. »Ja, scheint echt zu sein.« Sein Blick blieb an ihrer zarten Haut hängen.
»Es wäre uns eine Ehre«, sagte Elena nun bedächtig, »den Ort meiner Herkunft beliefern zu dürfen.«
Der Meister schaute auf und fragte ernst, aber mit ungewohnter Milde: »Warum bleibt Ihr nicht dauerhaft auf Briangard?«
Elena schaute zu Levin hinauf. Der kämpfte weiter darum, dem Tormeister eine ruhige Miene zu zeigen.
»Wir haben voriges Jahr geheiratet«, antwortete Elena. »Mein Mann besitzt kein Brandmal.«
»Ach, so ist das.« Der Meister wandte Levin seine Aufmerksamkeit zu. »Darum ist er so schweigsam.« Sein Blick wurde schärfer und verächtlicher. »Keine besonders hellen Köpfe, diese Alsuner.«
Obwohl Levin das Flehen in Elenas Augen bemerkte, konnte er sich nicht zurückhalten. »Ein Dichter sagte einmal: ›Das Schweigen des Klugen lässt die Dummheit des Gefräßigen umso heller erstrahlen.‹«
Die Armbrustschützen brachten sich in Stellung, als dem Tormeister die Zornesröte ins Gesicht stieg und er es sich nur mit Mühe verkneifen konnte, Levin tätlich anzugreifen.
Schade , dachte Levin, gerne hätte ich gesehen, wie sich dieser Fettberg auf mich wirft.
Der Meister marschierte beleidigt an Elena vorbei zu den Wachen und stellte sich an den Wegrand. »Es ist mir unbegreiflich, wie Ihr einen solchen Mann wählen konntet. Möge Euch das Leben lehren, dass Ihr stolzer auf Eure Herkunft hättet sein sollen. Nun ladet Eure verfluchten Fässer bei der Kaserne ab und verschwindet wieder!«
Elena sprang auf den Wagen und trieb die Ochsen an. Der Tormeister befahl den beiden Wachen, dicht beim Karren zu bleiben und sich im Hof drei Leute zur Verstärkung zu holen. »Lasst sie nicht einen Moment aus den Augen!«, brüllte er ihnen nach.
In Schrittgeschwindigkeit überquerten sie die Zugbrücke und fuhren durch das mächtige Tor zwischen zwei Türmen hindurch. Eine Gruppe schwarz gekleideter Soldaten umringte den Karren und führte sie nach rechts durch den Vorhof.
»Was habe ich dir gesagt!«, flüsterte Elena wütend. »Du solltest den Mund halten.«
»Was hast du denn? Wir sind drin.«
»Ja. Umgeben von so vielen Wachen, wie man sie nicht einmal bei Gefangenen bräuchte. Um ein Haar hätte der Kerl seine Leute auf uns gehetzt.«
»Aber wir sind drin.«
»Du hättest mich das machen lassen sollen. Ich hatte ihn schon an der Angel.«
»O ja, das stimmt. Es hat nur noch gefehlt, dass du dich entkleidest und ihm sagst, was dein wirklicher Beruf ist.«
»Und du hättest ihn gleich zum Duell herausfordern können. Jeder dahergelaufene Verbrecher hat hier mehr Ansehen als ein Alsuner, der Briangard verspottet.«
»Ich habe ihn verspottet, nicht Briangard.«
»Du hast keine Ahnung! Diese Menschen kennen einen solchen Unterschied nicht. Wenn du einen beleidigst, beleidigst du sie alle.«
Levin gab ihr darauf keine Erwiderung. Er zupfte sich nur das Gewand zurecht und blickte sich nervös um. Es waren noch nicht viele Menschen im Hof unterwegs. Die meisten von ihnen waren Soldaten. Sie putzten Schwertklingen, übten Gefechte oder schrien laute Befehle durch den Hof. Ihm fiel auf, mit welcher Disziplin sie am Werk waren. Ein sanftes Leuchten erschien jedoch auf manchen Gesichtern, wenn sie den vorbeiziehenden Karren mit den Weinfässern erblickten.
»Da drüben ist die Kaserne«, sagte Elena, »daneben eine Vorratshalle. Selbst die ist bewacht, weil sie befürchten, dass sich einige Soldaten nicht beherrschen können.«
Kurz
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