Der Schattensucher (German Edition)
Lehrling.«
»Als mein Nachfolger.«
»Aber … du denkst schon so weit?«
»Du brauchst mir nichts vorzumachen, Alvin. Ich bin nicht nur alt, ich bin auch krank. Ich bin glücklich über jeden Tag, den du mir geschenkt hast. Und ich werde jeden mir verbleibenden Tag so führen, als wäre er ein ganzes Leben. Es gibt noch einiges zu tun. Dieser Bengel muss ordentlich gezügelt werden, um zu verstehen, was der Alltag eines Schmieds bedeutet. Und dennoch: Viel Zeit wird mir nicht mehr bleiben, stimmts?«
Alvin nickte bedrückt.
»Ich habe das von Anfang an gespürt. Die Seuche ist in mir und wird es auch bleiben, bis sie mich umbringt. So ist das nun mal. Aber ich kann meinen Teil dazu beitragen, das Unheil zu lindern.«
Jetzt schaute Alvin ihn fragend an. Ortwin wies auf die Gefäße, die vor Alvin auf dem Tisch standen.
»Ich weiß doch, was du vorhast. Ich habe zwar keine Ahnung, woher du dieses Mittel hast und wie du es anstellst. Aber die letzten Tage haben mir gezeigt, dass du mit großer Verzweiflung versuchst, den Menschen zu helfen. Nichts anderes scheint dich zu interessieren.«
»Du hast recht, Ortwin. Ich bin noch nicht lange hier. Aber das Leid, das ich bisher gesehen habe, ist schrecklich genug. Es muss Menschen geben, die einen Anfang machen und das Unheil bekämpfen.«
»Dafür wirst du noch andere Menschen brauchen.«
»Das weiß ich. Und ich habe schon einige im Blick.«
»Dann fehlt dir nur noch ein Ort, von dem aus du handeln kannst. Lass mich das wenige tun und dir diesen Ort schenken.«
»Du meinst …«
»Ich werde dir und Ramon die Schmiede überlassen. Sie ist nicht groß, die alte Dame. Und sie muss dringend ausgebessert werden. Ich habe sie stets wie meine Ehefrau behandelt.«
Alvins Augen leuchteten. Schon am ersten Tag hatte er gespürt, dass dies ein besonderer Ort war. Sofort begannen sich in seinem Kopf zahlreiche Pläne zu spinnen. »Das wäre eine große Ehre.«
»Es ist ein bescheidener Anfang«, sagte Ortwin und erhob sich. »Ich weiß, dass du nicht ewig bleiben wirst.«
»Tatsächlich?«
»Natürlich nicht. Ramon wird bleiben. Aber du wirst weiterziehen. Du hast ein Ziel und ich würde eine Menge darum geben, wenn ich nur das Geringste darüber wüsste. Aber deine Augen sagen mir, dass du es nicht preisgeben kannst.«
»Das ist wahr«, sagte Alvin und schaute zu Boden. »Das ist wahr. Wenn ich erreicht habe, was ich erreichen will, möchte ich zurück.«
Ortwin nickte lächelnd. »Zu einer Dame, nicht wahr?«
»Du bist klüger, als man es dir ansieht.«
»Du vergisst, dass ich ein erfahrener Mann bin.«
»Darf ich dich etwas fragen?«
Ortwin nickte.
»Hättest du für die Liebe deines Lebens gewagt, dich gegen deinen Vater zu stellen?«
»Ich hatte nie das Glück, zu wissen, dass ich diese Liebe gefunden habe. Und ich hatte meinen Vater sehr gern.«
»Ich auch.«
»Aber diese Liebe hat euch getrennt.«
»Sie ist eine Fremde für ihn. Dabei kennt er sie kaum. Sie ist … das liebenswerteste Geschöpf, das ich kenne. Wer nur einen Augenblick ihre unschuldige Stimme hört, ihre Unbeschwertheit sieht … Ich würde alles tun …«
»Hast du deine Frage damit nicht schon beantwortet?«
Alvin dachte nach. Es half ihm, was Ortwin sagte, auch wenn es nicht viel war. Es war mehr die Art, wie er es sagte.
»Vielleicht habe ich das. Eigentlich tue ich schon alles, um sie zu bekommen.«
Ortwin nickte und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Danke. Es bedeutet mir etwas, dass du mir davon erzählst. Jetzt verstehe ich deinen Eifer.«
Für eine Weile genoss Alvin die Gegenwart des Freundes, sog seine Zuwendung in sich auf. Dann wandte Ortwin sich ab und ging zur Tür. Ehe er draußen war, drehte er sich noch einmal um und sagte: »Willst du mir verraten, wie sie heißt?«
Alvin lächelte, es löste ein Gefühl tiefer Erregtheit in ihm aus, ihren Namen aussprechen zu dürfen: »Ihr Name ist Elena.«
19. Kapitel
Briangard, Jahr 304 nach Stadtgründung
Ein schlicht gestalteter Garten, bestehend aus Rasenflächen, Bäumen, Sträuchern, kleinen Beeten und Hecken, gab dem Innenhof von Briangard eine weitaus gemütlichere Atmosphäre, als der karge Vorhof sie besaß. Trotz der hohen Mauern fiel genügend Licht herein, um die beschauliche Fläche angenehm zu erhellen.
Levin blieb nicht viel Zeit, sich den Garten anzuschauen. Er marschierte, begleitet von einer Wache, direkt über die Kiesfläche vom Innentor zur Palasttreppe. Weite, bogenförmig angeordnete Stufen
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