Der Schattensucher (German Edition)
traurig darüber, aber ich kann es nun mal nicht aufhalten.«
Alvin versprach ihm, dass sie ihm bei der Arbeit helfen würden. Doch Ramon sperrte sich dagegen. Er bestand darauf, die Küchenarbeit zu tun, und mied es, die Werkstatt zu betreten. Eine Weile lang ließ Alvin ihn in Ruhe. Eines Tages trat er zu ihm in die Kammer und sagte: »Heute musst du Ortwin helfen. Er hat mich zu einem kranken Freund geschickt.«
»Ich werde ihm nicht helfen«, sagte Ramon schroff. »Ich tue alles, aber ich werde nicht in dieser Schmiede arbeiten.«
»Du bleibst also bei deinem Schwur?«
»Ja.«
»Wie könnte ich dich davon abbringen?«
»Gar nicht.« Ramon schaute demonstrativ zur Wand.
»Wie du meinst«, sagte Alvin und holte etwas hervor. »Und ich dachte, du würdest langsam darüber hinwegkommen.«
Jetzt sah Ramon den Schmiedehammer. Er fauchte: »Verschwinde! Ich will das nicht sehen!«
»Ortwin braucht jemanden, der ihm Holz spaltet. Du weißt schon, er ist nicht mehr besonders kräftig in den Armen. Nimm den Hammer und den Keil, hinterm Haus liegt der Stapel.«
»Und dann?«
»Bringst du ihm das Holz in die Werkstatt. Das ist alles.«
Ramon warf einen Blick auf den Hammer. Dann wehrte er wieder ab und bat Alvin, das Zimmer zu verlassen.
»Na schön. Du trauerst ewig einem toten Jungen nach, während du zusiehst, wie ein alter Mann sich zu Tode schuftet.«
Als Alvin an der Tür war, um zu gehen, hielt Ramon ihn auf und nahm widerwillig den Hammer. »Dieses eine Mal«, sagte er.
Die nächsten drei Tage hackte Ramon Holz und brachte es Ortwin, der ihm immer dankbar zulächelte. Bald musste Ramon ihm helfen, einige Dinge in der Werkstatt umzustellen, bald musste er ein langes Eisenstück auf dem Amboss festhalten.
Alvin kam nur noch selten in die Werkstatt. Nachdem er einen Freund Ortwins von seinen Schmerzen befreit hatte, schickte dieser ihn zu einem weiteren Freund, der an der Seuche litt. Schon bald kannte man ihn als den, der das Mittel gegen die Seuche hatte. Stets sagte er dazu, dass es nur den Tod vertreibe und nicht dauerhaft wirke. Doch die Schmerzen waren meist so stark, dass man für jeden Menschen dankbar war, der sie lindern konnte.
In manchen Häusern wurde er abgelehnt, weil ihm der schlechte Ruf vorauseilte, den der Wirt des Alten Junkers ihm eingebrockt hatte. Dann spürte er von Neuem, dass er im Grunde ein Fremder in dieser Stadt war.
Abends saßen sie oben beim Essen zusammen und Ramon fing allmählich wieder an, seine Scherze zu machen. Sie stellten fest, dass Ortwin ein überraschend quiekendes Lachen hatte, wenn man es hervorzulocken wusste. Wenn er genug gelacht hatte, schlug er Ramon auf den Hinterkopf und sagte: »Immer nur Flausen im Kopf, dieser Nichtsnutz.« Dann erzählte er alte Geschichten oder fragte Alvin, was er den Tag über gemacht habe. Es dauerte nicht lange, da nannte er Ramon offiziell seinen Lehrling und keiner fragte mehr, wie lange sie eigentlich noch bleiben wollten.
Eines Abends saß Alvin in seiner Kammer und erhitzte eine Schale mit gläsernem Granulat. Seit er in der Schmiede war, standen ihm endlich die gewünschten Geräte zur Verfügung und einige Zutaten hatte er sich nun auch besorgt. Diamanten zu schleifen hatte ihm Spaß gemacht. Aber Diamanten zu machen war noch viel schöner; eine erfreuliche Abwechslung.
Ramon wusch drüben das Geschirr und Ortwin rief ihm irgendeinen Spott zu. Bald darauf klopfte er an der Tür.
»Komm rein«, sagte Alvin und drehte sich um.
»Darf ich fragen, was du da so heimlich tust?«
»Ein Geschenk für Ramon. Ich habe mir deine Geräte geborgt. Tut mir leid, dass ich dich nicht gefragt habe.«
»Schon gut. Du weißt, dass ihr hier zu Hause seid.«
»Ja, das weiß ich. Und ich bin dafür sehr dankbar, Ortwin.« Alvin wies ihn zu seinem provisorischen Bett. Ortwin setzte sich auf die Kante und fuhr mit der Hand über ein geschnitztes Stück Holz.
»Nicht du musst mir danken. Jeden Tag, den ich lebe, habe ich euch zu verdanken.« Er hielt das Holzstück, das offenbar ein Pferd darstellte, Alvin entgegen. »Hier, das hat er für mich gemacht. Ist er nicht großartig?«
»Du magst ihn sehr, oder?«
»Er wächst mir ans Herz wie ein Sohn. Und er ist unverschämt talentiert. Verflucht, wenn ich damals so viel gekonnt hätte wie er!«
»Wenn man ihm Freiheit gibt, dann zeigt er, was in ihm steckt.«
»Ich will, dass er bleibt.« Jetzt sah Ortwin ihm direkt in die Augen. Schweigend blickten sie sich an.
»Als dein
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