Der Schattensucher (German Edition)
Waffenträger. Der Erbauer glaubt an friedliche Lösungen. Es wäre eine Gelegenheit, diesen Glauben in die Stadt zu tragen.«
Gereon nickte anerkennend, Thanos hob die Augenbrauen. Er fixierte den Zinnbecher vor sich und antwortete erst nach einer Weile: »Gut. Ich gebe diese Erklärung ab.«
Jetzt schauten sich Thekla und Gereon überrascht an. Sobald sie die Sprache wiedergefunden hatten, erörterten sie mit dem Grafen das weitere Vorgehen. Man beschloss, die Erklärung des Grafen bei einem nächsten diplomatischen Treffen in drei Wochen entgegenzunehmen. Bis dahin werde sich der Senat darauf vorbereiten, das Schreiben möglichst schnell in Alsuna publik zu machen.
Sie leerten ihre Becher bei einem lockeren Plausch, dem die Gezwungenheit des diplomatischen Gesprächs fehlte. Später erhoben sie sich und schritten zum Eingang. Thanos ging an Theklas Seite und schien sich über etwas Witziges mit ihr zu unterhalten. Levin folgte ihnen schweigend. Gereon gesellte sich zu ihm und sagte: »Beachtlich. Ihr habt mit Eurer Stimme tatsächlich den Grafen bewegt.«
»Ich bin sicher, der Erbauer hätte auch allein so entschieden.«
»Sicher doch. Ihr seid noch nicht lange sein Leibwächter, oder?«
»Nein. Es ist eine Ehre, der Palastwache dienen zu dürfen.«
»Ja, es sind die besten Leute hier. Trotzdem ist an Euch ein großartiger Politiker verloren gegangen.«
»Ich bitte Euch, Senator. Von Politik verstehe ich nicht besonders viel.«
»Es geht nicht darum, wie viel Ihr schon versteht. Politik ist eine Sache des Instinktes. Entweder habt Ihr ihn oder Ihr habt ihn nicht.«
»Die Weisheit des Erbauers genügt.«
»Nun, bei uns in der Stadt denken wir ein wenig anders. Wir glauben daran, dass die Wahrheit nicht von einer Person besessen wird. Sie muss gemeinsam errungen werden.«
»Wessen Wahrheit ist es dann?«, fragte Levin, als sie die Treppe in der Eingangshalle hinunterstiegen. Immerzu schaute er zu Thekla und Thanos und versuchte etwas von ihrem Gespräch zu erhaschen. Doch sie schienen immer noch zu scherzen.
»Es ist die Wahrheit, die allen am meisten dient. Ist es nicht schade, wenn eine so große Stadt wie Alsuna nur dem Willen einer Person unterliegt?«
»Euer Senat scheint ein Wunderwerk der Harmonie zu sein. Dreißig Politiker und jeder möchte das Beste für die Stadt.«
»Ihr werdet zynisch. Aber glaubt mir, dass der Senat die Stadt vielfältiger und freier gemacht hat. Ich wünschte, es gäbe die Möglichkeit, dass ihr Brianer euch hin und wieder die Stadt ansehen und das alles miterleben könntet.«
»Wir fühlen uns eigentlich sehr wohl hier.«
»Das ist auch ein schöner Palast«, sagte Gereon und ließ seinen Blick über die vier Säulen wandern.
Am Tor verabschiedete der Graf seine Gäste. Levin blieb hinter ihm stehen und beobachtete, wie sie mit den vier Stadtwachen abzogen.
»Das war doch ein sehr schönes Treffen, Linus.«
»Bewundernswerte Menschen.«
»O ja, das sind sie. Aber nun möchte ich mir das Geschenk ansehen.«
Levin erschrak. Er hatte noch immer das Papierstück in der Tasche und brannte auf eine Gelegenheit, seinen Inhalt kennenzulernen. Um jeden Preis musste er vor dem Grafen das Geschenk in die Hände bekommen, um den Zettel zurückstecken zu können.
»Wenn du gestattest, werde ich dir den Becher und den Weinkrug in die Bibliothek stellen.«
»Das ist sehr zuvorkommend. Und sorge bitte dafür, dass ich ungestört bin.«
»Nichts lieber als das.«
Levin eilte die Treppe hinauf, schickte die Wachen weg, holte den Wein aus dem Empfangssaal und stellte ihn in die Bibliothek. Mit dem Rücken zur Bücherwand zog er unauffällig den Zettel aus der Tasche und las:
Zwei unserer Leute werden dich morgen eine Stunde vor Mitternacht in deinem Gemach besuchen. Es gibt einiges zu bereden.
Thekla.
Das ist deine letzte Chance, Levin, deine letzte Chance.
25. Kapitel
Es regnete. An den vier Säulen der Eingangshalle rann das Wasser kunstvoll herab. Der Graf hatte angeordnet, dass man ihn über Nacht in seinen Gemächern allein lassen solle. Von einem Besuch war nicht die Rede. Levin war darüber nicht verwundert. Alles war so, wie er es erwartet hatte. Seine Schicht war gegen Abend zu Ende gegangen. Mit Husten und Schweiß auf der Stirn hatte er sich von Norman verabschiedet. Dieser hatte ihm befohlen, einen Tag lang zu Hause zu bleiben. So lag er nun im Bett und kurierte seine Grippe aus – dachten sie …
In Wirklichkeit stand Levin im Schatten hinter einer Säule
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