Der Schattensucher (German Edition)
angespannte Stimmung durch seinen ironischen Tonfall auf. »Die tun nichts, wenn man sie in Ruhe lässt.«
»Ich will, dass jeder Raum beobachtet wird. Selbst wenn sie vermutlich nur im Empfangssaal sein werden.«
Levin sah zu Tobes hinüber und dachte nach. Der schweigsame Blonde hatte auf Normans Anweisung hin genickt, was nur heißen konnte, dass er den geheimen Posten aufsuchen würde. In Gedanken bedankte sich Levin bei Elena.
Die Versammlung löste sich auf, Levin war der Letzte. Er ließ sich von Norman den Panzer und die Ausrüstung geben. Dass er nur ein Messer bei sich trug, fühlte sich gut an. Es war ihm lieber, als ständig mit der Armbrust auf dem Rücken durch den Palast zu gehen. Den Panzer, so empfand er, trug er nur des äußeren Eindrucks wegen. Eine wirkliche Gefahr erwartete er nicht.
Auf Normans Gesicht zeigte sich keine Spur dieser Gelassenheit. »Ich sage dir: So langsam werde ich zu alt für all das.«
»Wie lange wirst du es noch machen?«
»Bis der Erbauer mich nicht mehr will. Also wohl bis zu meinem Lebensende.«
»Dann bist du also gebunden?«
»Nein. Ich hätte jederzeit die Freiheit aufzuhören.«
»Und warum tust du es nicht?«
»Wahrscheinlich, weil ich nicht davon loskomme. Und vielleicht auch, weil ich verhindern will, dass Jason den Posten erhält. Er würde den ehrwürdigen Palast in eine Kaserne verwandeln. Versteh mich nicht falsch: Jason ist ein guter Mann. Ihm bedeutet die Sicherheit des Grafen alles. Aber er glaubt nun einmal, dass er der Einzige ist, der ihm diese Sicherheit bieten kann.«
»Dann ist er bei der äußeren Wache ja gut aufgehoben.«
»Nun, wir Brianer sind davon überzeugt, dass es eine Frage des Verdienstes ist, möglichst nahe beim Erbauer dienen zu dürfen. Wenn Jason Anführer der Palastwache wird, ist das in seinen Augen die gerechte Belohnung dafür, wie er all die Jahre geschuftet hat. Und er schuftet viel, glaub mir.«
»Wie gut, dass das hier noch keine Kaserne ist«, beendete Levin das Gespräch und wandte sich zum Gehen.
»Denk daran: Ich verlange von euch mehr, als Jason es tun würde. Ich will, dass der Erbauer vollkommen geschützt ist und sich dennoch wohlfühlt.«
»Verstehe.« Levin sah dem Anführer tief in die Augen, fühlte sich ermutigt durch den Zuspruch, der darin lag, und ging hinaus.
Noch waren alle damit beschäftigt, sich für ihre Aufgabe vorzubereiten. Unauffällig spazierte Levin auf der Galerie umher und beobachtete Tobes, der sich mit einem Kameraden unterhielt. Irgendwann stieg Tobes die Treppen hinauf, Levin folgte ihm in den vierten Stock und sah, dass er im leer stehenden Kaminzimmer verschwand. Die Lage der Räume ließ nur einen Schluss zu. Ein leer stehendes Zimmer als Einstieg zum Beobachtungsposten für das Labor – das war klug.
Zufrieden ging er in den dritten Stock, schlenderte durch den Gang in den Bereich des Grafen und klopfte an der Doppeltür zum Empfangssaal.
Wie erwartet saß Thanos bereits auf dem erhöhten Holzstuhl am Ende des Tisches. Er war gekleidet wie an dem Tag, als er sich seinen Untergebenen im Vorhof gezeigt hatte. Der Raum strahlte eine ähnliche Pracht aus. Geschwungene Säulen stützten die gewölbte Decke des Saals. Die Beleuchtung bestand aus einer Mischung zwischen trübem Tageslicht und dem Kerzenschein vom Kronleuchter.
»Ich will, dass du nachher hier an der Seite stehst«, sagte Thanos.
»Ist es nicht üblich, schräg hinter dir zu stehen, um die Gäste im Blick zu haben?«
»Nein, ich will dir in die Augen schauen können.« Seine Pause kündigte an, dass der ernst gemeinte Teil des Satzes nun zu Ende war. »Wenn du bei meinen Worten einschlafen solltest, merke ich das wenigstens rechtzeitig.«
»Du scheinst keine großen Erwartungen an das Treffen zu haben.«
»Die Sache ist die, dass ich nichts Neues seitens des Senats gehört habe, seit es diese Treffen gibt. Entsprechend eintönig fallen meine Antworten aus.«
»Forderungen, die du nicht erfüllen willst?«
»Nicht erfüllen kann – wenn ich mich nicht selbst aufgeben will.«
»Wozu dann noch diese Treffen?«
»Es ist doch etwas Schönes, Gäste zu haben. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es hier eines Tages etwas Aufregendes zu bereden gibt.« Er schaute über die Tischfläche, die bis auf einen silbernen Krug, drei Becher und etwas Obst leer war. »Vielleicht lassen sich die beiden irgendwann endlich zu einem richtigen Bankett einladen. Das wäre lustig. Bisher lehnen sie immer dankend
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