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Der Schattensucher (German Edition)

Der Schattensucher (German Edition)

Titel: Der Schattensucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Braun
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Bescheid. An jedem wichtigen Ort im Palast gab es eine solche Glocke. Sobald die Wachen ihren Klang hörten, waren sie alarmiert. Doch er konzentrierte sich auf das, was er durch das Fenster sah.
    Die Tür zu Thanos’ Gemach war geschlossen. Wenn die Besucher – über welchen Weg auch immer – nicht zu spät waren, dann waren sie sicherlich schon drinnen. Er konnte also nur warten, bis sie wieder herauskamen.
    Es dauerte etwa eine halbe Stunde. Levin hatte Mühe, nicht einzuschlafen. Endlich bewegte sich die Türklinke und heraus trat ein dunkelhaariger Mann, gefolgt von einem blonden. Thanos war der Letzte, der das Labor betrat.
    »Ich freue mich immer, wenn ihr mich besuchen kommt. Ihr seid zwei tapfere junge Männer.«
    Der Blonde reagierte verlegen, der andere legte seine Hand auf die Schulter des Grafen und sagte: »Thanos, wir wissen, dass es nicht leicht ist. Aber wir wissen auch, dass andere Zeiten kommen werden. Jetzt sind wir mehr auf dich angewiesen als je zuvor.«
    »Ich weiß, meine Kinder. Aber habt Mut. Ich spüre, dass die neue Zeit bald anbrechen könnte.«
    »In der Stadt wird schon viel über die unterirdische Schmiede geredet«, sagte der Blonde.
    »Darauf solltet ihr nicht zu sehr achten. Ich weiß, dass ihr eure Arbeit gut macht und das Geheimnis bewahrt, bis die Zeit kommt.«
    »Das werden wir«, sagte der Dunkelhaarige und fügte hinzu, dass es nun Zeit sei zu gehen.
    Jetzt , dachte Levin, jetzt werden sie mir zeigen, wie sie hier hereingekommen sind. Endlich. Ich werde Darius sogar einen Geheimgang bieten können. Er lehnte sich weiter nach vorne, versuchte sich ihre Gesichter einzuprägen. Thanos wollte sich eben verabschieden, da drehte er sich langsam zum Gläserregal um.
    »Mir war so, als wäre da …«
    Levin zuckte zusammen. Die Kerze! Er hätte sie löschen sollen. Vermutlich hatte Thanos das Flackern bemerkt. Sein misstrauischer Blick ging zum Fenster hinüber. Ruckartig riss Levin den Kopf zur Seite und drückte sich an die Wand.
    Das war ein Fehler.
    Mit der Schulter stieß er gegen die Glocke, wie ein Donnerschlag erklang es in seinem Ohr; einmal, zweimal, dreimal, dann packte er sie und sie verstummte.
    »Was ist das?«
    »Ein Eindringling!«
    »Ihr müsst weg!«
    »Du musst weg!«
    »Schnell in den Gang hinaus!«
    Levin hörte nicht auf die Stimmen, sein Puls hämmerte gegen die Schläfen und trieb ihn an. Hastig kletterte er die Leiter hinauf. Als er oben aus dem Kamin stieg, hörte er bereits die Aufregung in der Halle. Schritte kamen auf das Kaminzimmer zu. Er hielt inne. Sie näherten sich der Tür. Schnell drehte er sich um, stieg in den Kamin zurück, kletterte hoch und klemmte sich oberhalb des Schachtes mit Händen und Füßen fest. Eine Minute , sagte er sich. Eine Minute, mehr nicht. Er stellte sich vor, wie seine Hände oder die Füße erschlafften und sein Körper wie ein Mehlsack den Schacht hinunterstürzte.
    Jetzt waren sie im Raum. Er hörte zwei oder drei Männer. Tobes war dabei. Sie eilten zum Kamin. »Hier muss er sein.«
    Levin hielt die Luft an. Auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen. Einen halben Meter unter ihm schob sich ein Kopf in den Kaminschacht und schaute nach unten. Eine Weile verharrte Tobes, dann sagte er: »Da ist er nicht mehr. Alles leer.« Er nahm eine Fackel, hielt sie in den Schacht und wiederholte seinen Satz. Die Hitze stach Levin ins Gesicht, er kniff die Augen zusammen und sah das Lodern in Form von gelben Flecken auf schwarzem Grund. Seine Beine begannen zu schmerzen, seine Hände bebten. Er würde nur noch ein paar Sekunden durchhalten. Er fühlte sich wie auf einem Scheiterhaufen.
    Verdammt, verschwinde hier endlich! Du hast doch gesehen, dass ich weg bin!
    Als das Feuer und der Kopf aus dem Schacht verschwanden, kniff Levin die Augen fest zu. Sein Gesicht kühlte ab, er spürte, wie der Ruß sich auf dem Schweiß absetzte.
    »Er muss irgendwo in der Halle sein. Oder in einem der Nebenräume. Sofort alles durchsuchen und das Tor schließen!«
    Endlich waren sie draußen. Sie hatten die Tür offen gelassen. Levin öffnete die Augen, nahm seine letzten Kräfte zusammen und löste sich mit unbeholfenen Bewegungen aus seiner Position. Er drückte sich durch die Kaminöffnung und ließ sich kraftlos auf den Teppichboden plumpsen. Er atmete schnell und tief, zweimal musste er husten. In diesem Moment wollte er für den Rest seines Lebens kein Glied mehr rühren.
    Die lauten Befehlsrufe aus der Halle drangen an sein Ohr. Zuerst

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