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Der Schattensucher (German Edition)

Der Schattensucher (German Edition)

Titel: Der Schattensucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Braun
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und ließ demonstrativ die Füße baumeln. »Nehmen wir an, du hättest recht: Was willst du mir nun damit sagen?«
    »Nichts weiter. Ich wollte nur wissen, wie es dir geht.«
    »Es geht mir gut.«
    »Verstehe. Dann möchte ich dir noch eines sagen: In dieser Nacht ist vieles falsch gemacht worden. Aber dass Norman tot ist, hat alleine er zu verantworten.«
    »Ach. Und das sagst du einen Tag nach seiner Beerdigung.«
    »Ich hätte es auch einen Tag davor gesagt. Ich habe mir genau berichten lassen, was bei Sallas’ Haus geschehen ist. Norman ging hin und wusste, dass er mit der allergrößten Wahrscheinlichkeit sterben würde. Er wusste es sogar schon, als er hier von Briangard losritt. Er war nicht mehr jung und er lebte für eine Überzeugung.«
    »Dass man einen Konflikt friedlich lösen muss?«
    »Nein. Dass man einem Feind ohne Falschheit ins Auge sehen muss. Vielleicht war er der kühnste Mann, den ich kannte.«
    »War es nicht auch kühn von Jason, den Feind anzugreifen?«
    »Nun, er hat ihn angegriffen. Aber das tat er nur, um dem Feind nicht ins Auge sehen zu müssen. Er ist erfüllt von Angst und sein Kampfesmut ist nichts anderes als eine Tarnung. Norman war anders. Er war nicht sehr ambitioniert. Aber wenn ich ihm begegnete, dann wusste ich genau, mit wem ich redete. Er versteckte sich nicht.«
    »Aber warum ließ er sich töten? Es war sinnlos.«
    »Ich weiß es nicht genau. Aber mir scheint, Norman wollte eine Botschaft senden. Er spürte, dass seine Zeit abgelaufen war. Es gab nicht mehr viele Gelegenheiten, sich zu offenbaren. Ich sprach von seiner Furchtlosigkeit. Genau das war seine Botschaft, als er über den Platz ging. Jeder konnte es sehen und jeder würde es sich merken. Man versteckt sich nicht im Dunkeln. Wer sich seiner Sache wirklich sicher ist, der hat auch keine Angst, alles vorzuzeigen.« Thanos machte eine Pause, wusch das Glas aus und stellte es in ein Regal. Dann nahm er die Schürze ab, die er sich umgebunden hatte.
    Das ist doch Unsinn , sagte sich Levin. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Warum sollte Norman sich anmaßen, anderen vorzugeben, wie sie sein müssen? Ich würde mein Leben von Norman abhängig machen, wenn ich seinen Tod als Botschaft verstünde.
    »Ich glaube, es ging ihm nicht einfach um die anderen«, sagte Thanos, als habe er Levins Gedanken gehört. »Ich vermute, es war eine gezielte Botschaft für seinen Nachfolger.«
    »Seinen Nachfolger?«
    »Norman machte sich Sorgen, auf welche Weise dieses Amt weitergeführt würde, wenn es ihn nicht mehr gab. Sein Nachfolger sollte sich die Botschaft tief ins Herz schreiben.«
    »Jason scheint aber nicht so reagiert zu haben, als habe er die Botschaft verstanden.«
    »Ich spreche auch nicht von Jason.«
    Levin runzelte die Stirn.
    »Ich spreche von dir.«
    Die großen Augen des Grafen ruhten auf Levin, dem es vorkam, als nähmen sie ihn gefangen. Er hätte sich abwenden und davonlaufen können und hätte trotzdem nicht das Gefühl gehabt, ihm zu entkommen.
    Vorsichtig glitt er vom Tisch, zeigte auf sich und fragte: »Von mir?«
    Thanos nickte. Dann trat er zu der bogenförmigen Wand, öffnete die Tür und wies in den Raum.
    »Mein Gemach. Nur der Hauptmann ist befugt, es zu betreten. Ich möchte es dir gerne zeigen.«
    Zögernd folgte Levin seiner Aufforderung. Mit leisen, fast schleichenden Schritten näherte er sich dem Raum. Vor der Schwelle blieb er kurz stehen, Thanos nickte ihm ermunternd zu und Levin ging hinein.
    »Du machst Witze, nicht wahr?«
    »Keineswegs.«
    Levin schaute sich um. Er hatte sich schon immer gefragt, wie es wohl in diesem Raum aussah. Dabei hatte er sich alles Mögliche vorgestellt. Die Wirklichkeit überwältigte ihn nicht gerade. Erwartungsgemäß war das Gemach rund, zwei Fenster zeigten nach draußen, ein prächtiges Bett stand im Hintergrund. Sofort sah Levin die ihm bekannte Alarmglocke beim Bett. Daneben führte eine Wendeltreppe aus dem Raum. Natürlich, hier ging es zum Turm hinauf. Wie er wusste, gab es keinen anderen Zugang zum Turm als diesen. Er sah hölzerne Schränke, eine Truhe und überall Fellteppiche auf dem Boden. Das Farbenprächtigste, was ihm in die Augen fiel, war die Obstschale auf dem niedrigen Tisch in der Mitte. Nichts war zu sehen vom Marmor der anderen Räume. Es war ihm, als hätte er ein anderes Land betreten, ein Land, das sich jedoch wie ein Heimatland anfühlte. Gemütlich und intim war es hier und man spürte, dass kaum ein Mensch je diesen Raum

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