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Der Schattensucher (German Edition)

Der Schattensucher (German Edition)

Titel: Der Schattensucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Braun
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fest im Zimmer nebenan. Er warf sich die Uniform über und legte sich den grauen Mantel in seinem Beutel zurecht. Jetzt kam das Schwerste. Vorsichtig öffnete er die Tür zu Elenas Zimmer und spähte hinein. Vom Mondlicht beschienen lag sie halb aufgedeckt auf der Seite, ein paar Haare waren ihr übers Gesicht gefallen. Ihr Atem ging ungleichmäßig und leise. Levin schluckte krampfhaft und spürte den Druck in seiner Kehle.
    Auf Wiedersehen, meine Liebe. Du hast viel durchgemacht mit mir. Ich wäre dir gern ein anderer Mann gewesen, aber dazu wäre ein anderer Levin nötig gewesen.
    Ehe der Druck auf seinen Magen überging, schloss er rasch die Tür und legte seinen Brief vor die Schwelle. Sie würde darin alles lesen, was sie wissen musste: dass er nun seinen Auftrag erledigt habe, wie sie aus der Festung entkommen würde und an welcher Stelle er ihren Lohn in Alsuna für sie verstecken würde.
    Dann gab es da noch eine Passage, in der er ihr mitteilte, was Thanos über die Krankheit gesagt hatte. Wenn sie mutig sei, solle sie zu Thanos gehen und ihn um Hilfe bitten, ehe sie Briangard verließ.
    Er hatte die Zeilen so sachlich verfasst, wie er nur konnte. Vielleicht würde ihr das die Sache erleichtern. Doch eigentlich konnte sie froh sein, dass es nun vorbei war. Er würde ihr viel mehr Geld bereitlegen, als sie ausgemacht hatten, sodass sie vielleicht nicht mehr in ihren alten Beruf zurückkehren musste. Bestimmt würde sie bald zu der Erkenntnis gelangen, dass sich der ganze Aufwand gelohnt hatte.
    Nachdem er den Brief abgelegt hatte, entfernte er sich rasch und blickte nicht zurück. Zügig ging er aus dem Haus, marschierte durch die Passage der Kaserne in den Innenhof und von dort in den Palast. Er grüßte die Wachen am Tor, in der Eingangshalle und im Gang vor den Gemächern von Thanos.
    »Der Erbauer ist in der Bibliothek«, antwortete ihm ein Wächter auf seine Frage. »Soll ich Euch anmelden?«
    »Nein. Ich muss nur etwas im Labor nachsehen.«
    »Verstanden«, sagte der Wächter und trat ab. Levin nickte zufrieden und ging ins Labor. Es war so hell wie zu jeder Stunde. Im Raum nebenan saß Thanos und studierte vermutlich wieder einmal eine Schrift. Zum letzten Mal würde er ihm so nahe sein. Auch wenn er ihn nicht mehr sah, kam es ihm vor, als berühre er ihn zum Abschied.
    Ich danke dir für alles, mein Freund , log er sich vor. Er wusste eigentlich, dass er einen Akt höchster Undankbarkeit beging. Aber was sollte er anderes tun? Vielleicht stimmte alles, was Thanos ihm erzählt hatte. Vielleicht war aber auch alles gelogen. Letzteres konnte er nicht riskieren. Nein, er musste einfach seinen Weg gehen, und wenn diese Nacht vorbei war, würde er sich nicht mehr mit der Frage beschäftigen müssen, ob er Thanos Unrecht tat.
    Es war Zeit. Er rückte seinen Beutel zurecht und ging auf die linke Wand zu. Lächelnd sah er in das Meskanfeuer, das ihn immer begeistert hatte, auch wenn es für ihn bisher lediglich ein Hintergrund gewesen war. Heute nicht. Er kam näher, es wurde wärmer. Als er einen Meter davon entfernt stand, empfand er es als heiß.
    Nun denn.
    Er schloss die Augen, sprang mit einem Bein voraus, eine stechende Hitze durchfuhr ihn für einen Moment, dann landete er auf der anderen Seite des Feuers.
    Er öffnete die Augen wieder. Vor sich sah er nur eine Wand, die man von außen für die Rückwand der Feuernische hielt. Doch nach rechts ging ein kleiner Gang ab. Ohne zum Feuer zurückzuschauen, machte er sich auf den Weg. Es ging eine steile Treppe abwärts Richtung Hauptturm. Nach einigen Metern war er ein Stockwerk tiefer, direkt unter dem Gemach des Grafen. Nun brauchte er eine Kerze, denn die Treppe mündete in eine Wendeltreppe, die im Innern des Turms hinabführte.
    Die Stufen waren eng. Je tiefer er kam, umso mehr nahmen Kälte und Feuchtigkeit zu. Einmal blieb er stehen und horchte an der Wand. Nichts. Seinem Gefühl nach war er nun auf Höhe des Hofes. Zu seinem Erstaunen ging die Treppe noch ein langes Stück weiter. Bald konnte er kaum mehr einschätzen, wie tief er war. Er wusste nur, dass er sich irgendwo im Innern der Anhöhe befand, auf der Briangard thronte.
    Nach einer schier endlosen Spirale hörte die Treppe schließlich auf. Levin musste kurz durchatmen, dann folgte er dem schmalen Gang, der sich anschloss. Er war ins Felsmassiv gehauen, an allen Seiten ragten Steinspitzen herein. Wenigstens war der Gang so hoch, dass er sich kaum bücken musste. Selten ging es auf oder ab

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