Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schattensucher (German Edition)

Der Schattensucher (German Edition)

Titel: Der Schattensucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Braun
Vom Netzwerk:
und nur ein paar schwache Biegungen erwarteten ihn.
    Durch die Wendeltreppe hatte Levin völlig die Orientierung verloren. Deshalb holte er seinen Kompass hervor, der ihm sagte, dass er sich konstant in Richtung Westen bewegte. Das beruhigte ihn, denn das führte zumindest nicht gänzlich von der Stadt weg.
    Der Gang endete schließlich in einer feuchten Steinkammer, nicht länger als drei Meter. Levins Kerze war fast heruntergebrannt. Der Raum war schlicht und zeigte keine Besonderheiten. Schnell sah Levin, dass es nur nach oben weitergehen konnte. Eine Holzleiter führte ihn fünf Meter die Wand hinauf. Als er oben stand, sah er, dass er sich in einer Grube innerhalb einer noch größeren Kammer befunden hatte. Auch hier gab es außer kahlen Steinwänden fast nichts. Erst beim zweiten Blick sah er den Türrahmen, der von einer Steinplatte ausgefüllt war.
    Zunächst war er ratlos. Dann zog er am hölzernen Hebel neben der Tür. Augenblicklich schob sich der Stein zur Seite. Sein Blick fiel auf von hellem Mondlicht beschienenen Waldboden. Erleichtert trat er hinaus und sog die frische Luft ein. Nur die Bäume gaben Geräusche von sich. Er war ganz allein.
    Nachdem er sich umgeschaut hatte, wusste er, wo er sich befand. Vor ihm erstreckte sich ein Meer von Grabmalen, die in den Hang eingelassen waren. Er war mitten auf dem alsunischen Bergfriedhof, westlich von Briangard und nördlich der Stadt. Nur die Reichen wurden hier bestattet. Mit einem runden Stein wurden die Grabkammern üblicherweise abgeschlossen. Kaum einer kam hier je vorbei.
    Eine wirklich kluge Lösung , dachte Levin. Wer kommt schon auf die Idee, alle Hundert Gräber nach einem Geheimgang zu durchsuchen? Ein Ort, für den sich keiner interessiert, führt direkt zum Gemach des Grafen. Schlau ist das.
    Mit ein paar tastenden Handbewegungen fand Levin heraus, dass der Stein auf einer Metallschiene lag, die sich durch einen Mechanismus kippen ließ. Der Stein rollte zurück und versperrte den Eingang wieder. Mit ein paar Blättern verdeckte er die Metallschiene.
    Dann schritt er zwischen den Bäumen den Hang hinab. Der Wald endete dort, wo die Bauernhöfe anfingen. Einen weiten Weg hatte er noch vor sich. Gut, dass er rechtzeitig losgezogen war. Er streifte sich den grauen Mantel über und marschierte die Straße hinab.
    Eine Stunde dauerte es, bis er die Weberei im Osten von Alsuna erreicht hatte. Er blieb eine Hausecke entfernt stehen und spähte hinüber. Hinter den Fenstern war Licht, sie erwarteten ihn also. Diesmal war er rund eine Stunde zu früh dran. Immerhin. Er atmete durch und konnte sich nicht entschließen hinüberzugehen. Er musste an das ekelhafte Grinsen von Darius denken, an die vernichtenden und zugleich hilflosen Blicke von Nadal. Keiner von ihnen hatte eine Ahnung, was Levin hinter sich hatte. Sie würden nur das hören, was er herausbekommen hatte, und ihn dann für immer wegschicken. Das war es ja, was er gewollt hatte. Erledigen und verschwinden. Es war so einfach und jetzt schaffte er es nicht um diese elende Hausecke herum – so als hielte sie ihn fest. An seiner Schulter spürte er den Bussard.
    Ich bin Hauptmann von Briangard , sagte er sich. Und es ist ein wahnsinnig guter Geheimgang, den ich entdeckt habe.
    Langsam schritt er auf die Weberei zu. Als er vor der Tür stand, zog er ein Stück Papier und einen Kohlestift hervor.
    Er hatte sich geschworen, nicht mehr als sechs Stunden am Tag zu schlafen – und zwar nur während der Dienstzeiten von Linus. Seine eigenen Aufgaben hatte er auf ein Minimum reduziert, sodass er den größten Teil des Tages damit verbringen konnte, Linus zu beobachten. Solange Linus im Hof war, spazierte Jason auf der Mauer, von wo er jede seiner Bewegungen sehen konnte. War Linus zu Hause, setzte Jason sich ans Fenster im Haus gegenüber und wartete.
    Nur sein Hund leistete ihm Gesellschaft. Ansonsten war er mit seinen Gedanken allein. Mit jeder Dienstzeit, die Linus in seiner Uniform antrat, wuchs Jasons Hass ein Stück mehr. Neulich war er ihm nachgegangen, als Linus außerhalb der Dienstzeit in den Palast ging. Dann fand er durch den Diener heraus, dass Linus zu einem festlichen Abendessen im Gemach des Erbauers war.
    Ein Abendessen im Gemach des Erbauers. Eine Schande war das. Ein Alsuner durfte nicht weiter als zum Vorhof von Briangard gelangen. Nicht einmal er, Jason, der jahrelang dem Erbauer treu gedient hatte, war jemals in dessen Gemach gewesen. Zum Essen hatte er nur dreimal den Palast

Weitere Kostenlose Bücher