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Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition)

Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition)

Titel: Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dane Rahlmeyer
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wie bunte Schlangenzungen hervor. Und wo es keine Bücher gab, da gab es Schriftrollen, Memogramme in Glaszylindern oder Steintafeln mit Schriftzeichen darauf wie die Spuren von Vögeln. In den äußeren Räumen jedes Stockwerks fiel Licht durch schmale Fenster hoch oben an den Wänden; Staub glitzerte in dem gelben Licht. In den inneren Räumen sorgten flackernde Gaslampen für Beleuchtung.
    Kriss kamen fast die Tränen. Dieser Ort war noch viel wundervoller, als sie ihn sich vorgestellt hatte. Wenn sie nur die Zeit hätte, hier zu bleiben und die Gänge zu durchforsten wie einen neuen, unerforschten Kontinent! Sie sog tief die Luft ein. »Ah! Riechst du das? Den Duft von Wissen? Von Geschichten?«
    »Ich riech nur verrottendes Papier.«
    »Du bist ein hoffnungsloser Fall.«
    Lian grinste. »Und stolz darauf.«
    Sie mussten eine Legion von Treppen, Korridoren und Gängen hinter sich bringen. Zur Orientierung dienten ihnen dabei Messingschilder, die an jeder Weggabelung und über jedem Durchgang angebracht waren. Sie verrieten in fünf Sprachen, darunter auch Feban, welche Abzweigung wohin führte und welche Abteilung der nächsten angeschlossen war. Sollte man dennoch Gefahr laufen, sich zu verirren, gab es auf jedem der neunzehn Stockwerke wenigstens fünf Bibliothekare, die einem den Weg weisen konnten – und doppelt so viele Wachen.
    Sie trugen Brustharnische über ihren weißen Mänteln und Kopfbedeckungen, die teils Helm, teils Turban waren. Kriss war schon zu Beginn ihres Aufstiegs aufgefallen, dass sie nur Säbel und Hellebarden trugen, aber keine Musketen oder Pistolen. Mit einem Schaudern dachte sie daran, welchen Schaden solche Waffen an diesem Ort anrichten konnten.
    Die anderen Besucher, die sie passierten, nahmen sie gar nicht wahr. Die meisten von ihnen saßen an Lesetischen und waren in irgendeine uralte Chronik oder einen modernen Atlas vertieft. Andere gingen von Regal zu Regal, die Finger an den nach dem ramakhanischen Alphabet sortierten Fächern.
    Weder Kriss noch Lian bemerkten den Mann in grau.
    Aber der Mann in grau bemerkte sie.
     
    »Wie lange müssen wir noch latschen?«, fragt Lian nach dem zwölften oder dreizehnten Stockwerk und dem hundertsten Saal. Er blieb stehen und massierte seine Wade. Auch Kriss hielt inne. Sie rang nach Atem und fühlte, wie ihr der Schweiß lief. Du musst allmählich in Form kommen , schalt sie sich.
    »Deine Antwort steht ... da oben«, keuchte sie und deutete auf das Schild über dem Durchgang, der sich dem Treppenhaus anschloss. »Leseräume« stand darauf in mehreren Sprachen.
    Lian folgte ihrer Deutung und kniff halb die Augen zusammen. »Was? Ach so.«
    Sein Ton verriet ihr, wie ratlos er war. »Heißt das, du kannst nicht lesen?«, fragte sie beinahe erschrocken.
    »Klar kann ich lesen!« Seine Worte hatten wieder diesen beleidigten, aufbrausenden Ton, den er immer dann benutzte, wenn sie ihn durchschaut hatte. Sie wartete ab. »Nur eben nich’ besonders gut ...« fügte er hinzu.
    »Warst du denn nicht auf der Schule?«
    »Doch. Das heißt, Madame hat mich unterrichten lassen. Aber ... das Meiste hab ich wieder vergessen. Was soll’s? Ich bin auch so ganz gut zurecht gekommen!«
    »Aber hier drinnen würdest du dich verlaufen. Ich meine, wenn das Personal nicht wäre.«
    »’s is’ ja da, wieso also drüber nachdenken?«
    Sie konnte ihm keine Antwort geben.
    Jedes Stockwerk beinhaltete einen Flur mit Räumen, in die sich die Entleiher zurückziehen konnten, um ungestört zu lesen. Die Benutzung größerer Räume war kostenfrei; hier fanden sich mehrere Dutzend Leute zusammen. Wer mehr Privatsphäre wünschte, musste dafür bezahlen und bekam ein eigenes Zimmer mit Aussicht auf die Stadt, einem Bett, einem Kleiderschrank, einem Waschbecken und einer Toilette, ganz wie in einem Hotel.
    Vor einem dieser Leseräume gehobener Klasse standen sie nun; er lag auf einem blau gekachelten Korridor, in dem es nach Räucherwerk duftete. »Nummer achtzehn, hier ist es«, sagte Kriss mit flauem Gefühl im Magen.
    »Wieso flüsterst du?«
    »Na ja ... was machen wir, wenn da drinnen der Einbrecher wartet?«
    Lian ließ seine Knöchel knacken. Sie wünschte sich, er würde das lassen. »Dann werd’ ich mich bei ihm ravangschieren.«
    »Revanchieren. Meinst du, du erkennst ihn auch ohne Maske?«
    »Ich ... ich denk’ schon. Ich hab ja seine Stimme gehört.«
    »Gut, also ... gib mir ... gib mir ein Zeichen, wenn du ihn erkennst.«
    Er hob Zeige- und

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