Der Schatz des Blutes
unter dem langen Zylinder, der neben der Zeichnung des Tempelgrundrisses eine Reihe weiterer, kleinerer Karten enthalten hatte.
»Ich gehe davon aus, dass der Inhalt dieser Mappe Licht in dieses Dunkel bringen wird.«
De Payens, der den Blick genau wie alle anderen auf die Mappe gerichtet hatte, nickte und sah ihn an.
»Da hast du wahrscheinlich Recht. Wir werden sie sorgfältig prüfen, sobald wir hier fertig sind. Aber du hast gesagt, es gibt zwei Dinge, die wir tun können. Was ist das andere?«
»Herauszufinden, ob St. Agnan mit seinen Vermutungen über die Anordnung der Karte Recht hat oder nicht. Wenn er Recht hat, könnte der Schatz, nach dem wir suchen, unterhalb der Palastfundamente liegen … unter der Moschee.«
De Payens atmete scharf ein, doch Montbard sprach beinahe wie an sich selbst gewandt weiter.
»Falls das so ist, könnte es sein, dass sich unsere Aufgabe weniger langwierig gestaltet. Zwar nicht weniger anstrengend, denn wir müssten ja immer noch einen Tunnel in den Felsen schlagen, aber der Weg wäre dann weniger weit. Es würde zwar immer noch Jahre dauern, aber nicht mehr ganz so viele Jahre.«
Er blickte auf, und seine Stimme nahm ihren normalen Tonfall wieder an.
»Wir müssen einen anderen, jüngeren Plan der Stadt finden und uns den Standort des Tempels darauf ansehen. Dann können wir beide Pläne vergleichen und mit Gewissheit sagen, woran wir mit dieser Zeichnung sind. Wo können wir so etwas finden?«
»Ich bezweifle, dass so ein Plan existiert.«
Alle Augen richteten sich auf Payn Montdidier, der stumm geblieben war, seit er seinen Einwand gegen ihren neuen Namen zurückgenommen hatte. Er lächelte nervös und hob die Hände.
»Falls doch«, fuhr er fort, »so kommen dafür zwei Orte in Frage, die beide für uns ungünstig sind: Entweder besitzt der König eine solche Karte – oder der Erzbischof könnte eine haben. Sonst gibt es niemanden, der so etwas brauchen könnte. Wenn wir danach fragen, würden wir wahrscheinlich in den Verdacht geraten, irgendetwas im Schilde zu führen. Aber ich habe einen Freund in der bischöflichen Residenz, den ich vielleicht beiläufig danach fragen könnte, wenn ich ihn das nächste Mal besuche.«
»Gut. Bitte tu das«, sagte de Payens, um sich dann an Godfrey St. Omer zu wenden. »Wie ist eure Patrouille verlaufen, Godfrey? Gibt es irgendetwas zu berichten?«
Anfangs war es üblich gewesen, dass jeder Patrouillenführer den Brüdern nach seiner Rückkehr Bericht erstattete. Solange ihre Anwesenheit die Briganten unvorbereitet traf, war nämlich jeder Angriff anders gewesen, und alle hatten aus jedem Bericht etwas lernen können.
Doch angesichts der Gewissheit, dass man sie verfolgen und bestrafen würde, hatte die Angriffslust der Briganten nachgelassen. Nur wenn auf einer Patrouille etwas Außergewöhnliches geschah, wurde dies noch ausführlich besprochen. So sorgte der Name Königin Morfias im ersten Moment zwar für Staunen, was jedoch nicht lange währte, da ihr ja bei dem Angriff nichts zugestoßen war.
Sobald St. Omer seinen Bericht abgeschlossen hatte, wandte sich das Interesse der Ritter wieder dem wichtigsten Ereignis dieses Tages zu: den Dokumenten, die André de Montbard ihnen mitgebracht hatte. Die offizielle Zusammenkunft wurde für beendet erklärt, die Dokumente wurden ausgebreitet, und bevor die Schatten des Nachmittags in den Abend übergegangen waren, hatten de Payens, St. Omer und Montbard – diese drei konnten als Einzige hinreichend lesen – herausgefunden, dass sie nicht nach einer zeitgenössischen Karte Jerusalems suchen mussten.
Die Dokumente, die ihnen der Seneschall schickte, enthielten fast alles, was sie wissen mussten. In einem handschriftlichen Brief an de Payens erklärte Hugh de Champagne, dass ihm absolut klar sei, vor welchen Schwierigkeiten die Brüder in Jerusalem bei der Erfüllung ihrer Aufgabe stehen würden. Er habe sich daher nach Kräften bemüht, sie mit haargenauen Kopien aller auffindbaren Dokumente auszustatten, die eine Bedeutung für ihre Schatzsuche an der Tempelstätte haben könnten. Zwar basierten die Kopien ihrerseits nur auf Kopien, da die Originale so alt seien, dass man sie mit großer Sorgfalt vor schädlichen Einflüssen geschützt aufbewahre. Doch die Kopien seien mit der größtmöglichen Sorgfalt von seinen erfahrensten Schreibern hergestellt und genauestens geprüft worden, um sicherzugehen, dass sie bis ins letzte Detail mit den Originalen übereinstimmten.
Jedes
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