Der Schatz des Blutes
Dokument war in zweifacher Ausfertigung vorhanden, einmal in der Originalsprache und einmal in der Übertragung ins Lateinische, die vor tausend Jahren nach der Ankunft der Schriftstücke in Gallien angefertigt worden war.
Im Lauf der folgenden Tage katalogisierten die drei Ritter die Dokumente, und nachdem sie sie mit Querverweisen versehen hatten, konnten sie über jeden Zweifel erhaben davon ausgehen, dass sich ihr Ziel zumindest teilweise unterhalb der Fundamente der Al-Aksa-Moschee befand. Mindestens sechzig Schritte, so schätzten sie, trennten sie von der Stelle, und ein Großteil dieser Entfernung bestand aus nacktem Fels.
Zudem wussten sie nun, dass die unteren Schichten des Tempelbergs von einem Netzwerk uralter Tunnel durchzogen waren, die jedoch nur vom Innenbereich des Tempels aus hatten betreten werden können – und der Tempel war vor tausend Jahren zerstört, seine unterirdischen Stockwerke zugeschüttet worden, der Versuch der jüdischen Priester, Titus’ raffgierige Legionen zu entmutigen. So war es zwar möglich, dass die jetzigen Gräber im Lauf ihrer Arbeiten auf einen solchen Tunnel stießen und diesen dann nur noch freiräumen mussten, doch ließ sich nicht abschätzen, wie groß die Wahrscheinlichkeit war.
So war es eine Mischung aus guten und schlechten Nachrichten, die Hugh de Payens den Brüdern bei ihrer nächsten Zusammenkunft mitzuteilen hatte.
»Das Wichtigste ist, dass wir mit absoluter Gewissheit sagen können, dass der Schatz, den wir suchen, hier liegt. Wir sind uns sogar sicher, dass wir wissen, wo er liegt. Ihn zu erreichen wird allerdings eine Aufgabe sein, die des Herakles würdig wäre. Wir müssen schätzungsweise hundert Fuß senkrecht nach unten graben und uns dann etwa fünfzig oder sechzig Fuß in den Berg hineinwenden, unter die Fundamente des Palastes. Es wird Jahre dauern. Aber mit etwas Glück und verschärfter Wachsamkeit können wir es vollbringen.«
»Was meinst du damit, verschärfte Wachsamkeit?«, hakte Sir Geoffrey Bissot nach, und de Payens lächelte ihn an.
»Wir müssen uns mit Wachen schützen, Bruder, damit uns kein Außenseiter so nah kommen kann, dass in ihm der Verdacht wächst, dass wir hier Tunnel graben.«
»Wie willst du das denn bewerkstelligen, vor allem anfangs? Es wird doch Lärm machen, wenn wir uns mit Hammer und Meißel in den Felsen graben. Und wen meinst du mit ›Außenseitern‹? Jeden, der kein Mitglied unserer Gemeinschaft ist – oder jeden, der kein Mitglied unseres Ordens ist? Denn im letzteren Fall stimme ich mit Bruder de Montbard überein – unsere eigenen Sergeanten werden das Ende unserer Pläne bedeuten. Sie sind keine Dummköpfe, Hugh, und wenn du glaubst, dass du jahrelang vor ihnen verheimlichen kannst, was wir hier tun, machst du dir etwas vor.«
De Payens pflichtete ihm nickend bei.
»Da hast du Recht. Aber das meine ich auch gar nicht. Wir könnten die Tatsache, dass wir in den Felsen graben, niemals vor unseren eigenen Männern geheim halten. Aber wir könnten uns doch einen plausiblen Grund für unsere Grabungen ausdenken. Wenn wir zum Beispiel sagen, dass wir als Bußexerzitie zum Ruhme Gottes ein unterirdisches Kloster aus Felsenzellen anlegen, hätten wir einen exzellenten Grund, den unsere Brüder Sergeanten sofort akzeptieren würden. Eigentlich habe ich jedoch die Menschen außerhalb unserer Gemeinschaft gemeint. Wir werden bald ein Mönchsorden sein. Und das bedeutet, dass wir uns aus der Welt zurückgezogen haben … und so wird die Welt auch keinen Grund mehr haben, sich uns aufzudrängen. Niemand wird uns behelligen, und niemand wird unsere Zurückgezogenheit stören. Was den Lärm betrifft, so wird er bald schwächer werden, je tiefer der Schacht in den Boden dringt.«
»Welchen Durchmesser wird der Tunnel haben, und wer soll ihn graben?«
»Jeder von uns wird graben. Der senkrechte Teil des Tunnels wird so eng wie möglich werden … gerade so, dass ein Mann einen Hammer schwingen und ein anderer den Meißel stützen kann oder dass zwei gemeinsam schaufeln können, mehr nicht. Wir werden Meißel brauchen und Zangen, mit denen wir sie festhalten. Hämmer, Spitzäxte, Schaufeln und eine Reihe anderer Werkzeuge. Später, wenn wir weit genug in die Tiefe vorgedrungen sind, brauchen wir Flaschenzüge, um den Schutt hinauszubefördern. Aber alles zu seiner Zeit.«
De Payens hielt inne und holte tief Luft.
»Anfangs werden wir wahrscheinlich zu zweit arbeiten, und zwar in Schichten. Wie lange eine
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