Der Schatz des Blutes
solche Schicht sein kann, wird die Erfahrung zeigen. Sobald der Schacht tiefer wird, werden wir Männer oben brauchen, die den Schutt heraufziehen und beseitigen. Mit Gottes Willen werden wir Tag und Nacht arbeiten können und gleichzeitig unsere Patrouillen fortsetzen – in Abteilungen von zehn Sergeanten, die von mindestens einem, des Anscheins halber manchmal aber auch zwei Rittern begleitet werden. So wird unsere Arbeit an der Oberfläche weitergehen, während wir unterirdisch zugange sind.«
Bissot nickte und fuhr sich mit der Hand durch den Bart. »Das klingt … kompliziert.«
»Das ist es, aber es ist nicht unmöglich, Bruder.« De Payens richtete sich auf. »Es ist natürlich völlig neu für uns, und alles geht plötzlich so schnell. Aber wir sind in den letzten Tagen weit gekommen. Es wird vielleicht noch einen Monat dauern, bis wir mit der eigentlichen Arbeit beginnen können. Lasst uns beten, dass uns das Schicksal weiter hold ist, Brüder. So sei es also.«
3
D
AS SCHICKSAL blieb ihnen hold. Schon am nächsten Tag wurden de Payens und St. Omer für den Nachmittag zum König gebeten. Als sie zur vereinbarten Stunde im Palast vorstellig wurden, führte man sie unverzüglich zum König, was so ungewöhnlich war, dass sie auf dem Weg in die Audienzgemächer doch eine gewisse Nervosität verspürten.
Baldwin de Bourcq hieß sie außerordentlich herzlich willkommen und schüttelte ihnen die Hände. Dann entließ er seine Wachen mit der Bitte, seine Frau und seine Kinder zu ihm zu schicken. Morfia und ihre Töchter erschienen so schnell, dass sie wohl in der Nähe auf diese Aufforderung gewartet haben mussten.
Der König stellte die beiden Ritter seinen vier Töchtern vor, denen er erklärte, dass dies die Ritter seien, die Tags zuvor ihre Mutter vor den Sarazenen gerettet hatten. Die Mädchen verneigten sich artig vor jedem der beiden Ritter und bedankten sich dabei flüsternd – die Älteste, Melisende, mit dem gebührenden Ernst der Thronfolgerin; die Zweitälteste, Alice, mit dem widerspenstigen Stirnrunzeln der Heranwachsenden, und die beiden kleinen Mädchen Hodierna und Joveta kicherten dabei.
Als diese Zeremonie vorüber war, klatschte ihr Vater in die Hände und schickte sie mit ihrem Kindermädchen aus dem Zimmer. Er lächelte ihnen voll Zuneigung nach, bis sich die Tür hinter ihnen schloss. Doch bevor er etwas sagen konnte, ergriff de Payens das Wort.
»Euer Gnaden, ich muss Euch darauf hinweisen, dass ich keiner der beiden Ritter bin, die Ihre Majestät, die Königin gerettet haben –«
»Das weiß ich, Master de Payens, und meine Frau weiß es ebenso.«
Die Königin neigte de Payens lächelnd den Kopf zu, während ihr Mann fortfuhr.
»Aber ich wollte die Kinder nicht verwirren. Ihre Mutter ist von zwei Rittern gerettet worden, und sie haben sich bei zwei Rittern bedankt. Das ist alles, woran sie sich erinnern werden. Nun lasst uns alle Platz nehmen.«
Die beiden Ritter wechselten einen fragenden Blick, während sie an den Tisch traten, auf den der König gezeigt hatte. Das Königspaar setzte sich und winkte ihnen, sich ebenfalls zu setzen. Auf dem Tisch stand ein Tablett mit Gläsern und einem großen Silberkrug, der mit Wasserperlen benetzt war, und Königin Morfia schenkte ihnen persönlich ein. Nachdem sie die herrlich süße Limonade gekostet hatten, lehnte sich der König zurück und räusperte sich.
»Es gibt wohl keine Worte, um auszudrücken, wie tief ich in Eurer Schuld stehe«, sagte er dann, und in seinem Mundwinkel flackerte unerwartet ein Lächeln auf.
»Das hat mir meine Frau deutlich zu verstehen gegeben. Doch auch ohne ihr Drängen würde ich jetzt hier mit Euch sitzen und dasselbe sagen. Bevor Eure Männer sie gestern heimgebracht haben, hatte ich noch nie darüber nachgedacht, was es bedeuten würde, sie zu verlieren. Ihr gestriges Unglück und Euer rechtzeitiges Eintreffen haben mir die Augen geöffnet. Ich übertreibe wirklich nicht, wenn ich erneut sage, dass ich nicht in Worte fassen kann, wie schrecklich ihr Verlust wäre. Und so …«
Er hielt inne, um zu überlegen. Keiner der beiden Männer ihm gegenüber rührte sich.
»Als ich zum ersten Mal von Euch und Euren Freunden gehört habe, Sir Hugh, dachte ich, Ihr würdet mir nur Grund zur Verärgerung geben –«
Er hob die Hand, als rechnete er damit, dass einer der Männer versuchen könnte, ihn zu unterbrechen oder ihm zu widersprechen.
»Inzwischen habe ich meine Meinung geändert. Ihr habt Euch in
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